Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 110, Nr. 10, 16.5.2020, (1037) Weiterhin entnahmen sie subgingivale Plaque-Proben und testeten diese molekularbiologisch auf das Vorkommen von fünf parodontalen Markerbakterien, unter anderem Porphyromonas gingivalis (P.g.). ERGEBNISSE Klinisch betrachtet waren die Patienten mit Rheumatoid- arthritis älter, rauchten häufiger und es gab mehr Frauen unter ihnen als in der gesunden Kontrollgruppe. Die Rheu- matoidarthritis-Patienten wiesen höhere Sondierungstiefen und einen stärkeren Attachmentverlust auf. Diejenigen mit schwerer Parodontitis waren häufiger Männer. Sie waren meistens älter und rauchten häufiger als die Rheuma- toidarthritis-Patienten mit leichter Parodontitis, diese Unterschiede waren aber nicht signifikant. Auf genetischer Ebene gab es in der Rheumatoidarthritis- Testgruppe signifikant mehr G-Allel-Träger sowohl im SNP rs1801275 im Interleukin-4-Rezeptor alpha (IL4R alpha) als auch im SNP rs361525 im Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNFalpha) als in der Vergleichsgruppe. Bezogen die Forscher das Alter, das Geschlecht, den Raucherstatus und das Auf- treten von P. g. als Kovariablen in einer multivariaten Aus- wertung mit ein, zeigten sich die genetischen Varianten nicht als unabhängige Risikofaktoren für eine rheumatoide Arthritis. Allerdings konnten zunehmendes Alter, das weib- liche Geschlecht, das Rauchen und das Auftreten von P. g. als signifikante Risikofaktoren für rheumatoide Arthritis ermittelt werden. In einer zweiten Untersuchung suchten die Wissenschaftler nach einem Zusammenhang zwischen Genvariationen und der Schwere der Parodontitis innerhalb der Rheumatoid- arthritis-Gruppe. Patienten, die unter schwerer Parodontitis litten, waren häufiger A-Allel-Träger im SNP rs240561 im Gen für Interferon gamma (IFN gamma), gegenüber den Probanden, die keine oder nur eine leichte Parodontitis hat- ten. Ein höheres Alter, das männliche Geschlecht, Rauchen und die höhere Inzidenz von P.g. – allerdings nicht das Vor- kommen des A-Allels in IFN gamma– erwiesen sich in einer Multivarianzanalyse als prädisponierende Faktoren, eine schwere Parodontitis zu bekommen. Verglichen die Forscher Patienten, die gleichzeitig unter Rheuma und Parodontitis litten, mit denen, die keine rheumatoide Arthritis hatten, war das A-Allel signifikant stärker mit beiden Erkrankungen assoziiert. DISKUSSION Die rheumatoide Arthritis weist wie die Parodontitis eine multifaktorielle Pathogenese auf. Zwillingsstudien zeigten, dass genetische Ursachen zu 50 Prozent das Risiko bestimmen, an Rheumatoidarthritis [Scott et al., 2010] und Parodontitis [Michalowicz et al., 1991; Laine et al., 2010] zu erkranken. Bei einigen bereits bekannten klinischen Risikoparametern für das Auftreten von Rheumatoidarthritis und Parodontitis geht die Studie konform mit der Literatur. Zum Beispiel, dass das Auftreten von Rheumathoidarthritis mit zuneh- mendem Alter steigt [Agnihotri und Gaur, 2014] und dass gerade Frauen im vierten und im fünften Lebensjahrzehnt betroffen sind [Austad et al., 2015]. Das Rauchen, insbeson- dere bei genetischer Prädisposition, wurde schon von anderen Forschern als wichtiger Risikofaktor für rheumatoide Arthritis identifiziert [Kallberg et al., 2011]. Dass das Alter, der Raucherstatus und das männliche Geschlecht Haupt- risikofaktoren sind, eine schwere Parodontitis zu bekommen, zeigt eine frühere Untersuchung [Genco und Borgnakke, 2013] ebenso wie auch die vorliegende Studie. Bei den genetischen Risikofaktoren blieb die Varianz im IL4R alpha- und TNF-alpha-Gen nicht signifikant, wenn mehrere weitere Risikoparameter für die rheumatoide Arthritis mit in die Auswertung einflossen. Das deutet darauf hin, dass genetische Varianten eine untergeordnete Rolle gegenüber Faktoren wie zunehmendes Alter, weib- liches Geschlecht, Rauchen und dem Auftreten von P.g. im Zusammenhang mit Rheumatoidarthritis spielen. Die aktuelle Studie aus Halle bestätigt in dieser Hinsicht das etablierte Risikomodell für eine rheumatoide Arthritis [Agnihotri und Gaur, 2014; Austad et al., 2015; Kallberg et al., 2011]. In der Studie ermittelten die Wissenschaftler jedoch das A-Allel des SNPs rs240561 in IFN gamma als Risikoindikator für eine schwere Parodontitis bei Rheuma- toidarthritis-Patienten. Auch andere Untersuchungen zeig- ten bereits, dass IFN gamma und die damit verbundenen Signalwege den Abbau von Hart- und Weichgeweben des Parodontiums fördern und den Knochenschwund induzie- ren [Mizraji et al., 2017; Tanaka et al., 2012]. Diese Signal- wege sind wichtige Merkmale in der Ätiologie entzündlicher Erkrankungen, einschließlich Parodontitis [Fiorillo et al., 2018] und rheumatoider Arthritis [Rönnblom und Eloranta, 2013]. FAZIT Die Ergebnisse untermauern die Annahme, dass der SNP rs2430561 des entzündungsfördernden Zytokins IFN gamma ein gemeinsamer genetischer Risikofaktor für Parodontitis und Rheuma darstellt. Das ist ein neues Argument für die Hypothese eines gemeinsamen entzündlichen Prozesses, der den beiden Erkrankungen zugrunde liegt. Weitere Studien müssen allerdings in größeren Kohorten erst zeigen, dass diese Ergebnisse reproduzierbar sind. Dr. Kerstin Albrecht Quelle: Susanne Schulz, Natalie Pütz, Elisa Jurianz, Hans-Günter Schaller and Stefan Reichert: „Are There Any Common Genetic Risk Markers for Rheumatoid Arthritis and Periodontal Diseases?” A Case-Control Study. Mediators of Inflammation, Volume 2019, Article ID 2907062, 11 pages https://doi.org/10.1155/2019/2907062 ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. | 75

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