Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11
zm 110, Nr. 11, 1.6.2020, (1097) Generell existiert eine konsistente Evidenz, welche die Effektivität von SDF bei der Inaktivierung von korona- ler Karies im Milchgebiss und bei der Arretierung und Prävention von Wur- zelkaries bei Senioren belegt [Seifo et al., 2019; Chibinski et al., 2017). In Deutschland enthält das einzige verfügbare Produkt Silber-Fluorid- Ammoniak und Kalium-Jodid (Riva- Star ® , SDI Dental Limited). Dieses Produkt wird allerdings in Europa im Unterschied zu Asien und Australien bis jetzt hauptsächlich als Desensibili- sierungsmittel bei überempfindlichen Zähnen angewandt. Für die Karies- therapie ist die Nutzung von Silber- produkten hierzulande ein „Off-Label- Use“, aber trotzdem sicher und effektiv. Die Behandlung eines Patien- ten mittels SDF ist in den Abbildungen 1a und 1b dargestellt. Kariesbehandlung von Milch- molaren in der Hall-Technik Bei der Hall-Technik (HT) handelt es sich um eine minimal-invasive Behandlung für kariöse Milchmola- ren, bei der im Gegensatz zur konven- tionellen Stahlkronenversorgung kei- ne Lokalanästhesie, keine Präparation und keine Kariesentfernung erfolgt, sondern lediglich eine vorgefertigte Stahlkrone auf einen für diese Technik geeigneten kariösen, pulpal asympto- matischen Milchmolaren zementiert wird [Santamaria et al., 2018; Innes et al., 2007). Bei sehr engen Approximal- kontakten kann nach einer Zahn- separation mittels orthodontischer Separiergummis in der Regel eine Stahlkronenversorgung in der Hall- Technik sehr leicht durchgeführt werden. Die der Standardfüllung über- legenen Erfolgsraten der Hall-Technik (2-Jahres-Erfolgsraten 90-100 Prozent versus circa 50-80 Prozent bei Füllun- gen) sind mit einem hohen Evidenz- grad in der vorliegenden wissenschaft- lichen Literatur belegt [Innes et al., 2007; Santamaria et al., 2020; Innes et al., 2015]. Die Behandlung eines Patienten mittels Hall-Technik ist in den Abbildungen 2a bis 2c dargestellt. Einen Hinweise auf weiterführende Literatur dazu finden Sie am Ende des Beitrags. Atraumatische restaurative Therapie (ART) Bei der atraumatischen restaurativen Therapie (ART) wird die Behandlung einer kavitierten kariösen Dentinläsion ohne rotierende Instrumente durchge- führt – stattdessen werden ausschließ- lich Handinstrumente zur Kariesexka- vation genutzt und restaurative Materialien wie hochvisköse Glasiono- merzemente (HVGIZ) verwendet. Ursprünglich wurde die ART für Län- der entwickelt, in denen mit wenig technischer Ausstattung behandelt werden muss, aber mittlerweile findet das Konzept auch zunehmend in hoch- entwickelten Gesundheitssystemen Anwendung. Die ART/HVGIC hat sich als adäquate Managementoption für die Behandlung einflächiger kariöser Läsionen an Milchzähnen erwiesen (2-Jahres-Erfolgsraten: 94 Prozent) [de Amorim et al., 2018]. Mehrflächige Versorgungen zeigen leider deutlich höhere Verlustraten. Die Behandlung eines Patienten mittels ART ist in Ab- bildung 3 dargestellt. Für einen kurzen Überblick sind in Tabelle 1 die in der Forschungsliteratur beschriebenen Indikationen und Kon- traindikationen bei der Anwendung von Silberfluoridprodukten, der HT und der ART auf der Zahnebene zusammengefasst. Das Besondere an allen drei vorgestellten Kariesmanage- mentoptionen ist nicht nur eine aero- solarme Durchführung, sondern auch, dass diese in der Regel bei mäßiger oder gar geringer Kooperation der Kinder noch durchführbar sind. Foto: Santamaría Abb. 3: Klinischer Befund eines vierjährigen Kindes: Die Zähne 74 und 84 wurden mit der Hall- Technik behandelt. Bei 75 und 85 wurden die kleinen kavitierten, okklusalen Läsionen mit der ART-Technik behandelt, dabei wurde zugleich das gesamte okklusale Fissurenrelief „versiegelt“. ZÄ FLORA HASHEMI Universitätsmedizin Greifswald, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Abteilung für Präventive Zahnmedizin & Kinderzahnheilkunde Fleischmannstr. 42, 17475 Greifswald Foto: Fotostudio Karrie Kompakt, Greifswald ZA MHD SAID MOURAD Universitätsmedizin Greifswald, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Abteilung für Präventive Zahnmedizin & Kinderzahnheilkunde Fleischmannstr. 42, 17475 Greifswald Foto: privat ZÄ ANNINA VIELHAUER Universitätsmedizin Greifswald, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Abteilung für Präventive Zahnmedizin & Kinderzahnheilkunde Fleischmannstr. 42, 17475 Greifswald Foto: Foto Peters, Greifswald | 39
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