Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 110, Nr. 11, 1.6.2020, (1100) MKG-CHIRURGIE Massiver Zahnsteinbefund mit perforierendem Wangenabszess Nils Heim, Valentin Wiedemeyer, Benedict Jürgensen, Franz-Josef Kramer Zahnsteinbildung wird als ernst zu nehmendes Gesundheits- risiko eingestuft. Die Ausbildung von extremem Zahnstein ist multifaktoriell begründet und unterliegt einem interindi- viduellen Risiko. Beim hier dargestellten Fall kam ursächlich zu Defiziten bei der Mundhygiene vermutlich auch eine starke Neigung zu erhöhter Plaque-Akkumulation hinzu. E in 57 Jahre alter Mann wurde uns an einem späten Nachmittag von seinem Hausarzt überwiesen. Der Patient stellte sich mit erhöhter Körpertemperatur (38,2 Grad Celsius) und einer deutlich geschwollenen rech- ten Wange vor. Am punctum maximum der Schwellung zeigte sich eine zentrale Ulzeration mit serösem Ausfluss und einer Umgebungsröte, die bis an den Kieferwinkel, den Nasenabhang, den Mundwinkel und nach infraorbital heranreichte (Abbildung 1). Bei der en Face-Inspektion zeigte sich auch eine deutliche Schwellung der linken Wange, allerdings ohne die entzünd- liche Komponente. Der Hausarzt hatte aufgrund der deut- lichen Ulzeration sowie der Spontanperforation die Ver- dachtsdiagnose eines malignen Geschehens oder einen exazerbierten Abszess vermutet. Die intraorale Untersuchung zeigte allerdings eine massive Ausbildung von Zahnstein in Ober- und Unterkiefer sowie eine Entzündung des gesamten Mundraums. Im Oberkiefer lagerte sich der überwiegende Teil des Zahnsteins vestibulär an, der im Endeffekt auch die Entzündung der rechten Wange mit folgendem Abszess und Perforation hervorrief (Abbildungen 2, 3, 4). Der Zahnstein war in palato-vestibulärer Richtung teilweise bis zu drei mal breiter als die Molaren. Im Unterkiefer war vor allem ein Massenzuwachs lingual der Unterkieferfrontzähne zu beob- achten. Die Zunge war dadurch dauerhaft nach posterior verlagert, was zu kloßiger Sprache und einer Entzündung des gesamten Mundbodens führte (Abbildung 5). In der Folge leiteten wir eine intravenöse Antibiotikathera- pie ein und nahmen den Patienten stationär auf. In der durchgeführten Röntgendiagnostik (OPG) zeigte sich eine Aufhellung im gesamten zahntragenden Bereich beider Kiefer (Abbildung 6). Die Beurteilung der Zahnwurzeln stellte sich mitunter als sehr schwierig dar. Am folgenden Tag sanierten wir den Patienten in Intubati- onsnarkose. Die Zahnsteinanteile wurden sukzessiv entfernt (Abbildung 7). Trotz des Versuchs, möglichst viele Zähne vom Zahnstein zu trennen und sie zu erhalten, zeigten sich insgesamt 19 Zähne als nicht mehr erhaltungswürdig (Abbildung 8). In vielen Fällen stellte sich nur noch margi- Abb. 1: Rechte Wange des Patienten mit deutlicher Schwellung, Umgebungsröte und zentralem Ulkus mit serösem Ausfluss. Abb. 2: Klinisches Bild des massiven Zahnsteinbefalls im Oberkiefer. Abb. 3: Klinisches Bild des massiven Zahnsteinbefalls im Oberkiefer. 1 2 3 DR. NILS HEIM Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Facharzt der Klinik Venusberg – Campus 1, Haus 11, 2. OG, 53127 Bonn Nils.heim@ukbonn.de Foto: privat 42 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=