Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 110, Nr. 11, 1.6.2020, (1101) naler oder gar kein Kontakt mehr zum Alveolarknochen dar. Lediglich im zweiten Quadranten konnten vier Zähne erhalten werden (23, 26, 27, 28) (Abbildung 9). Sämtliche Schleimhäute waren entzündlich verändert und zum Teil mit eitrigen und serösen Auflagerungen belegt (Abbildung 10). Zusätzlich wurde ein Abstrich des Ulkus von intraoral genommen. Hier zeigte sich nach Bebrütung ein Staphylo- kokkus capitis, welcher gegen die Reserveantibiotika Vancomycin, Teicoplanin und Fosfomycin resistent war. Der Patient konnte nach drei Tagen entlassen werden und wurde prothetisch vom Hauszahnarzt weiter versorgt. DISKUSSION Unterschieden wird der supra- vom subgingivalen Zahn- stein. Der subgingivale Zahnstein ist als „Konkrement“ bekannt, akkumuliert vergleichbar langsam, haftet dafür aber sehr stark an der Zahnhartsubstanz an. Der supragin- givale Zahnstein ist deutlich vermehrt an den Stellen der Be- zahnung aufzufinden, wo die Ausführungsgänge der exo- krinen Speicheldrüsen nach intraoral münden. Häufigste Prädilektionsstellen sind daher die linguale Fläche der Unterkieferfrontzähne (Glandula submandibularis und sublingualis) und die vestibuläre Fläche der Ober- kiefermolaren (Glandula parotis) [Roberts-Harry und Clerehugh, 2000]. Zahnstein entsteht über viele Zwischenstufen, beginnend mit dem dünnen Pellikel, das sich bereits kurz nach dem Zähneputzen anlagert und die Grundlage für weitere Reten- tionsvorgänge bildet. Bakterien und Nahrungsreste lagern sich an, Polysaccharide, Epithelzellen und Speichelbestand- teile sind weitere anhaftende Elemente. Bleiben diese Bestandteile über 24 bis 48 Stunden unberührt, wird die entstandene Plaque zunehmend wasserunlöslich und verhärtet sich. Durch Mineralien aus dem Speichel beginnt der Mineralisierungsprozess, der schließlich im Zahnstein mündet. Die Annahme, dass sowohl Gingivitis als auch Parodontitis hauptsächlich durch Zahnstein bedingt werden, wurde mittlerweile von zahlreichen Wissenschaftlern widerlegt. In vivo-Studien zeigten, dass der Biofilm und seine mikrobielle Zusammensetzung den ausschlaggebenden Faktor für diese Erkrankungen darstellen [Mandel und Gaffar, 1986]. Die Entstehung von Zahnstein ist ein komplexes und mul- tifaktorielles Geschehen. Neben Faktoren, die eine erhöhte bakterielle Plaqueretention zur Folge haben [Suomi et al., 1971] spielen biochemische Prozesse wie die Zusammenset- zung des Speichels und der Sulkusflüssigkeit eine übergeord- nete Rolle [Slomiany et al., 1971]. Darüber hinaus sind Vor- gänge von Bedeutung, die im Zusammenhang mit Plaque-produzierenden Mikroorganismen stehen [Ennever et al., 1979], und nicht zuletzt sind die Ernährungsgewohn- heiten zu nennen, die Art und Menge des zur Verfügung stehenden Substrats für die Keime beeinflussen [Hidaka & Oishi, 2007]. Das Ausbilden von Zahnstein zeigt eine große interindivi- duelle Breite in der Bevölkerung. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass es Menschen gibt, die trotz sehr guter Mundhygiene und regelmäßiger Reinigung zu deut- lich erhöhter Plaque-Akkumulation neigen [Fons-Badal et al., 2020]. Abb. 4: Klinisches Bild des massiven Zahnsteinbefalls im Oberkiefer. Abb. 5: Klinisches Bild des massiven Zahnsteinbefalls im Unterkiefer. BENEDICT JÜRGENSEN Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Universitätsklinikum Bonn Assistenzarzt der Klinik Venusberg – Campus 1, Haus 11, 2. OG, 53127 Bonn Foto: privat 4 5 DR. DR. VALENTIN WIEDEMEYER Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Facharzt der Klinik Venusberg – Campus 1, Haus 11, 2. OG; 53127 Bonn Foto: privat | 43

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