Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 110, Nr. 11, 1.6.2020, (1102) Im vorliegenden Fall war unzureichende Mundhygiene zwar unumstritten die Ursache für die massive Zahnstein- entwicklung, darüber hinaus allerdings auch eine aggressive Form der Neubildung zu vermuten. Patienten mit extremer Zahnsteinausbildung müssen über diesen Umstand auf- geklärt und auf die Notwendigkeit höher frequentierter Kontrolltermine hingewiesen werden. Eine aktuelle Studie konnte zeigen, dass einige Faktoren einen signifikanten Einfluss auf die Geschwindigkeit der Zahnsteinentwicklung hatten. Neben Parodontitisbefunden spielen Zahnfehlstellungen, der Gehalt an Harnsäure und Phosphor im Speichel sowie die vermehrte Anwesenheit von Streptokokkus mutans dabei eine Rolle [Fons-Badal et al., 2020]. Die Studie belegte weiterhin, dass Parodontitis im Stadium III und IV sowie Grad C statistisch signifikant mit der vermehrten Ausbildung von Zahnstein im Zusammen- hang steht. Patienten mit schneller und mengenmäßig hoher Zahnsteinakkumulation sehen sich demnach mit deutlich schwereren Verläufen konfrontiert. Ein weiterer Risikofaktor für eine vermehrte Zahnsteinbildung könnte ein erhöhter Gehalt an Kalzium im Sekret der Glandula submandibularis sein [Mandel, 1974]. Die Entfernung fast aller Zähne, wie im vorliegenden Fall, ist nicht die Regel. Allerdings kann bei aggressivem Befall die Zahnhartsubstanz wie auch der Zahnhalteapparat so stark geschädigt sein, dass ein Erhalt der Zähne nicht mehr möglich ist. Das Auftreten eines Staphylokokkus-Stamms mit Resisten- zen gegen absolute Reserveantibiotika ist bemerkenswert und unterstreicht den engen Zusammenhang zwischen pathologischen Mikroorganismen und der Ausbildung von Zahnstein. Staphylokokkus capitis gehört zur residenten Flora der Haut und gilt als opportunistisch pathogen, wenn das Wirtsim- munsystem geschwächt ist. Der ansonsten ubiquitär dermal vorkommende Mikroorganismus wurde bei geschwächter Abwehrlage bereits als auslösendes Bakterium bei Neugebo- renensepsis, Meningitis und Endokarditis isoliert [Cameron et al., 2015]. Abb. 6: Orthopantomogramm (OPG) präoperativ. Abb. 7: Geborgener Zahnstein. Abb. 8: Extrahierte Zähne (n=19) und geborgener Zahnstein. 6 8 7 PROF. DR. DR. FRANZ-JOSEF KRAMER Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Direktor der Klinik Venusberg – Campus 1, Haus 11, 2. OG, 53127 Bonn Foto: privat 44 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=