Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11
zm 110, Nr. 11, 1.6.2020, (1112) HYGIENEMANAGEMENT IN CORONA-ZEITEN „Es gibt keinen 100-prozentigen Schutz!“ Durch die Corona-Krise bekommt das Thema Hygiene eine ganz neue Wahrnehmung, denn viele PatientInnen und Praxismitarbeiter sind verunsichert. Noch liegen keine validen Daten vor, ob und welche Auswirkungen die Hygienemaßnahmen in der Praxis auf die Pandemie haben. Sollte man jeden Patienten vorsichtshalber so behandeln, als sei er ein COVID-19-Patient oder ist das übertrieben? Prof. Dr. Lutz Jatzwauk, Leiter für den Zentralbereich Krankenhaushygiene und Umweltschutz am Universitätsklinikum Dresden, mit seiner Einschät- zung zum Hygienemanagement in Zahnarztpraxen. F akt ist, alle an der zahnärztlichen Behandlung Beteiligten sind den Bakterien, Viren und Pilzen aus der Mund- höhle sowie den Infektionen im Blut des Patienten aus- gesetzt – auch schon vor der Virusepidemie. In aller Regel haben die bestehenden und routinemäßig betriebenen Hygienemaßnahmen aber ausgereicht, diese Infektionswege weitestgehend zu beherrschen, ist Jatzwauk überzeugt, doch „einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht“. Es sei da- her verständlich, dass bei einer neuen Infektionskrankheit, bei der keinerlei Antikörperschutz besteht, bisher keine Schutzimpfung möglich ist und nur begrenzte Therapie- möglichkeiten bestehen, besondere Schutzmaßnahmen für Zahnärzte und Mitarbeiter gefordert werden. Wie können die PatientInnen also möglichst risikoarm durch die Praxis gelotst werden? Einen wesentlichen Teil zur Infektionsvermeidung trage das Patientenmanagement bei. Dafür könne der Praxisbetrieb zurzeit ausgedünnt und die Patientenanzahl so begrenzt werden, dass ein Aufenthalt im Wartezimmer vermieden oder zumindest die Einhaltung des Abstands von eineinhalb bis zwei Metern gewährleistet wird. Die Terminvereinbarung wird telefonisch oder online durchgeführt, ebenso die Abfrage der Informationen zur anstehenden Behandlung. MASKENPFLICHT AUCH IN ZAHNARZTPRAXIS SINNVOLL Beim Betreten der Praxis werden die PatientInnen dazu angehalten, sich die Hände zu desinfizieren und einen Mund-Nasen-Schutz oder eine Maske zu tragen. Diese(r) wird bis unmittelbar vor der Behandlung getragen und dann unter Anweisung korrekt und separat abgelegt, rät der Hygieneexperte. „Wenn das Personal und die Patienten (soweit möglich und zumutbar) bei Unterschreitung der Abstandsregelung einen Mund-Nasen-Schutz tragen, ist eine optimale Prävention gewährleistet. Da das in Verkehrs- mitteln und Einkaufszentren durch das RKI empfoh- len wird, macht das in der Zahnarztpraxis auch Sinn.“ Eine erweiterte Desinfektion der Waschräume und vor allem deren regelmäßige Belüftung sind weitere Maßnahmen in der Zeit der Epidemie. Auch die Raumluft und deren mögliche Desinfektion und Reinigung von erzeugten Aerosolen ist ein Thema auf der Agenda der Praxishygiene. Noch gibt es keine validierten Angaben zu der Handhabung hier. Nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Beschaffenheit der Behandlungsräume und deren zahlreichen Oberflächen gibt es bislang kein pau- schal wirksames und geprüftes Anwendungskonzept. Die Oberflächen- und Raumdesinfektion durch UVC-Lampen, wie sie in der streng kontrollieren Lebensmittelindustrie an- gewandt wird, kann nur bedingt auf die Zahnarztpraxis übertragen werden. In jedem Fall ist das Lüften nach jeder Behandlung hilfreich, die belastete Luft gegen Frischluft auszutauschen. Jatzwauk schätzt diesen Bereich bislang so ein: „Da das größte Risiko bei der direkten Patientenbehandlung in un- mittelbarer Nähe der Atemwege entsteht (Tröpfchen und Aerosole) und diese in der höchsten Konzentration im Abstand von zwei Metern von der Mundhöhle auftreten, halte ich eine komplette Raumluftdesinfektion im Behand- lungszimmer nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand für nicht sinnvoll. Entsprechende Verfahren die eine Filtration der Raumluft oder eine physikalische oder chemische Raumluftdesinfektion ermöglichen, werden seit Längerem in Krankenhäusern eingesetzt, sind aber für Zahnarztpraxen nicht praktikabel. Die dem Wasser der Dentaleinheit zuge- fügten Biozide haben vermutlich nur geringe Auswirkungen auf potenziell kontaminierte Aerosole, da die Einwirkzeit nur Sekunden beträgt.“ Vielmehr sollte größter Wert auf die wirksame und trainierte Spraynebelabsaugung beim Einsatz wassergekühlter Über- tragungsinstrumente gelegt werden. Denn durch die Nut- Foto: AdobeStock_Konstantin Yuganov Vor dem Betreten der Praxis sollten alle Patienten einen Mund-Nasen-Schutz anlegen. 54 | PRAXIS
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