Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 110, Nr. 11, 1.6.2020, (1114) A namnestisch gab der Patient an, neben Hämophilie B an Hepatitis (A, B und C), arterieller Hyper- tonie und an Altersschwerhörigkeit zu leiden. Im Jahr 1994 war ein Prostata- karzinom behandelt worden. Die klinische und radiologische Unter- suchung (Abbildungen 1 und 2) zeigte einen zahnlosen Oberkiefer sowie eine nicht erhaltungswürdige, stark paro- dontal geschädigte anteriore Rest- bezahnung im Unterkiefer. Aufgrund der bekannten schweren Hämophilie B (Faktor-IX-Aktivität < 1 Prozent) erfolgte die Vorstellung des Patienten in der betreuenden Gerinnungsambulanz in der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin der Universität Rostock. In interdisziplinä- rer Absprache wurde unter Berücksich- tigung des operativen Behandlungs- bedarfs ein Faktorsubstitutionsplan für den Patienten erstellt (Tabelle). Auf- grund der Komplexität des Behand- lungsprotokolls fand die weitere The- rapie unter stationären Bedingungen statt. Am Aufnahmetag wurde die erste Sub- stitution mit 1800 I.E. humanem Blut- gerinnungsfaktor IX (Berinin ® , CSL Behring, Marburg) mit anschließender Faktor-IX-Aktivitätskontrolle (ange- strebte Aktivität: 20 Prozent) zur Kon- trolle des Therapieansprechens durch- geführt. Nach Rücksprache mit den Kollegen der Gerinnungsambulanz konnte die geplante Extraktion der Zähne 43, 42, 41, 31, 32, 33 und 34 am Folgetag unter erneuter vorheriger Substitution und Faktor-IX-Aktivitäts- kontrolle (Zielwert > 60 Prozent) sowie antibiotischer Abschirmung (i. v. 3 x 3 g Ampicillin/Sulbactam) durchge- führt werden. Im ersten Schritt erfolgte die intraliga- mentäre Anästhesie der zu entfernenden Zähne mit 4-prozentigem Articain mit einem Adrenalinzusatz von 1:400.000 (Ubistesin®, 3M Espe, Seefeld). An- schließend fand die gewebeschonende Extraktion der Restbezahnung und die vollständige Entfernung des Gra- DER BESONDERE FALL MIT CME „Die Krankheit der Könige“ – interdisziplinäre Extraktionstherapie unter schwerer Hämophilie Julia Weller, Ingo Buttchereit, Peer W. Kämmerer Ein 84-jähriger, russischstämmiger Patient stellte sich nach Überweisung durch den behandelnden Hauszahnarzt zur chirurgischen Zahnsanierung bei bekannter Blutgerinnungsstörung in der Abteilung für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie der Universität Rostock vor. Der Patient klagte über seit mehreren Monaten zunehmende, ausstrahlende Zahnschmerzen im Unterkiefer, wodurch die Nahrungsaufnahme immer eingeschränkter möglich sei. CME AUF ZM-ONLINE Interdisziplinäre Extraktionsthera- pie unter schwerer Hämophilie Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie 2 CME- Punkte der BZÄK/ DGZMK. Abb. 1: Klinischer Ausgangsbefund Abb. 2: Radiologischer Ausgangsbefund – OPG 1 2 56 | ZAHNMEDIZIN

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