Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11
zm 110, Nr. 11, 1.6.2020, (1117) auftreten kann [Shabazfar, 2014; Käm- merer, 2015]. Im Rahmen der zahnärzt- lich-chirurgischen Intervention ist ein möglichst atraumatisches Vorgehen zur Verringerung des Gewebetraumas sowie eine vollständige Kürettage des Granula- tionsgewebes notwendig. Zur weiteren Wundversorgung werden in der Literatur unterschiedlichste hämostyptische Maßnahmen wie Oxy- cellulose [Rayen, 2011], Kollageneinlagen [Bajkin, 2009], Gelantineschwämme [Kim, 2006] und Cyanoacrylate [Al- Belasy, 2003] beschrieben. Ein Vor- oder Nachteil einzelner Maßnahmen konnte in Studien nicht gezeigt werden [Peisker, 2014]. Die darauffolgende Naht dient zur Fixierung des eingelegten Materials, dabei sollte auf eine umfangreiche Lappenoperation verzichtet werden, um das Blutungsrisiko zu minimieren [Fra- chon, 2005]. Um eine späte Nachblu- tung zu vermeiden, wird in vielen Studi- en resorbierbares Nahtmaterial verwendet [Peisker, 2014; Frachon, 2005]. Die nachgehende einfache phy- sikalische Kompression durch Aufbiss- tupfer oder gegebenenfalls durch prä- operativ angefertigte Verbandsplatten erweist sich zudem als hoch effizient. Dabei empfiehlt es sich, zusätzlich anti- fibrinolytische Lösungen wie Tran- examsäure aufzubringen, um eine Auf- lösung des Blutkoagulums in der Alveole zu verhindern. Tranexamsäure hemmt dabei die Bindung von Plasminogen an Fibrin und verhindert so die Aktivierung von Plasmin. Zudem wird eine alleinige beziehungsweise ergänzende systemi- sche Anwendung von Tranexamsäure in der aktuellen Literatur diskutiert [Le- wandowski, 2018; Peisker, 2014] und ei- nige Studien belegen ein geringeres Nachblutungsrisiko sowie einen geringe- ren Bedarf an Faktorkonzentraten [Manucci, 1998; Sindet-Pedersen, 1986]. Bei angefertigten Verbandsplatten emp- fiehlt es sich, diese leicht hohl zu legen, um eine Unterfütterung mit elastischen Materialien zur besseren Anpassung zu ermöglichen. Postoperativ wird eine Tragedauer von vier bis sieben Tagen an- geraten [Lockhart und Gibson, 2003]. Kritisch zu betrachten sind bei der Ein- gliederung einer Verbandsplatte das ein- geschränkte subjektive Wohlbefinden des Patienten, mögliche Schmerzen durch Schleimhautirritationen, der durch eine geringe Schienenmobilität entstehende Pumpeffekt, die vermehrte Speichelanregung und bakterielle Besiedlung und die damit erhöhte fibri- nolytische Aktivität des Speichels bezie- hungsweise durch Sprektokinasen [Franchon, 2005]. Die Fortführung der Faktorsubstitution erfolgt in Absprache mit den behandeln- den Hämatologen in der Regel bis zur vollständigen Epithelisierung der Wun- dalveole; während dieses Zeitraums sollten engmaschige Nachkontrollen er- folgen, da die Praxis eine eingeschränkte Wundheilung und ein höheres Infekti- onsrisiko zeigt. \ ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Die oralchirurgische Behandlung von Patienten mit bekannter Hämophilie bedarf einer gezielten interdisziplinären Absprache zwischen Zahnarzt und dem behandelnden Hämatologen. \ Nur so ist die Voraussetzung für eine effiziente Behandlungsstrategie und eine offene Kommunikation gegenüber den Patienten gegeben. \ Eine Kombination aus Faktorsubstitution oder gegebenenfalls Desmopressin- gabe und suffizienten lokalen hämostyptischen Maßnahmen kann schwere Nachblutungen verhindern. \ Je nach Behandlungsumfang und Blutungsrisiko ist eine Behandlung unter stationären Bedingungen notwendig. 3M.de/Impregum Der 2 Minuten Polyether 3M Impregum Super Quick Polyether Abformmaterial JETZT AUCH SUPERSCHNELLE Polyether Präzision für die DOPPELƼ MISCHTECHNIK | 59
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=