Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 110, Nr. 11, 1.6.2020, (1124) ZM-SERIE: TÄTER UND VERFOLGTE IM „DRITTEN REICH“ Die späte Karriere des Nationalsozialisten Wilhelm Gröschel (1907 – 1972) Dominik Groß In dieser zm-Reihe wurden bereits mehrere Zahnärzte vorgestellt, die als aktive Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 hohe Karrierepositionen erreichten und im Nachkriegsdeutschland an diese Erfolge anknüpfen konnten. 1 Der Fall Wilhelm Gröschel (1907–1972) ist etwas anders gelagert: Auch er trat im „Dritten Reich“ als glühender Natio- nalsozialist auf, doch die große Hochschulkarriere gelang ihm – trotz NS-Vergangenheit – erst in der Bundesrepublik. W ilhelm Gröschel wurde am 10. Januar 1907 in Weißen- burg (Bayern) als Sohn des dortigen Dentisten Max Gröschel ge- boren. 2 Die Kleinstadt Weißenburg war mit Zahnbehandlern außergewöhnlich gut versorgt: 1925 kamen dort auf 7.303 Einwohnern zwei Zahnärzte und fünf Dentisten. 3 Gröschel gehörte – wie die bereits zuvor skizzierten Perso- nen Helmut Kunz 4 und Reinhold Rit- ter 5 – der „Kriegsjugendgeneration“ an: Diese zwischen 1900 und 1910 gebore- ne Altersgruppe hatte den Ersten Welt- krieg bewusst miterlebt, aber aufgrund ihrer Jugend nicht aktiv mitgewirkt. In vielen Fällen führten die Erfahrung des verlorenen Krieges und die Unzufrie- denheit mit der Weimarer Republik zu einer politischen Radikalisierung. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich gerade die Kriegsjugendgeneration zur zentralen Stütze des NS-Regimes. 6 SCHON 1922 WAR ER IM FREIKORPS OBERLAND AKTIV Auch Gröschel gehörte zur Gruppe derer, die sich frühzeitig radikalisierten: Bereits 1922 trat er dem (zeitweise ver- botenen) rechtsextremen und anti- demokratischen „Freikorps Oberland“ (später „Bund Oberland“) bei. Hierbei handelte es sich um einen paramilitä- rischen Wehrverband, der ab 1921 den Kern der Sturmabteilung (SA) in Bayern bildete und eng mit der NSDAP kooperierte. 7 Nach dem Abitur am Gymnasium in Eichstätt nahm Gröschel zum Som- mersemester 1925 das Studium der Zahnheilkunde auf, mit Stationen an den Universitäten Jena, Berlin und Würzburg. 8 Im Herbst 1928 legte er dann in Würzburg die zahnärztliche Prüfung ab und im Dezember erhielt er die zahnärztliche Approbation. Zum 1. Januar 1929 wurde er Assistent an der Zahnärztlichen Klinik in Würz- burg, wo er bis 1936 tätig blieb. Am 16. Mai 1929 konnte er – ebenfalls in Würzburg – seine Promotion zum Dr. med. dent. anschließen; in seiner Dissertation widmete er sich der „an- geborenen echten Zahnlosigkeit“ 9 . 1929 nahm er das Zweitstudium der Medizin auf, das er bis 1933 parallel zu seiner Assistententätigkeit betrieb. Hierzu ist anzumerken, dass in der damaligen Zeit die Mehrheit der Zahn- ärzte, die eine Hochschullaufbahn in der Zahnheilkunde anstrebten, zusätz- lich Medizin studierten, um so die Chancen auf eine Professur zu erhö- hen. Zudem stand die Kieferchirurgie aufgrund ihrer besonderen Relevanz in der Kriegschirurgie in jener Zeit hoch im Kurs – und ihre Ausübung war auch in den 1930er Jahren bereits an die Doppelapprobation gebunden. Im Frühjahr 1933 absolvierte Gröschel die ärztliche Prüfung und am 4. August 1934 folgte dann die ärztliche Appro- bation. 10 Knapp ein Jahr später – am 28. Juni 1935 – promovierte er in Würzburg zum Dr. med. Auch diese Dissertation hatte Bezug zur Zahnheil- kunde: Sie behandelte die „Beziehun- gen zwischen akuten und chronischen entzündlichen Erkrankungen der Augen und des Zahnsystems“. 11 BEREITS MIT 29 JAHREN ERFOLGTE DIE HABILITATION Im Februar 1936 – im vielversprechen- den Alter von erst 29 Jahren – folgte bereits die Habilitation 12 für Zahnheil- kunde an der Universitat Würzburg 1 Wie etwa Fabian und Euler, vgl. Groß (2020b); Groß (2020d). Siehe auch jüngst Groß (2020e); 2 Für die folgenden Ausführungen vgl. Gröschel (1959), 77; Schmidhuber (1967), 8; Friederich (1968), 68; Grüttner (2004), 64; 3 ADDD (1925), 514. Damals stellten die Dentisten fast zwei Drittel der Zahn- behandler: Groß (2019), 38; 4 Heit et al. (2019); Groß/Heit/Schmidt (2020); 5 Groß/Westemeier/Schmidt (2018); Groß/Schmidt (2020); 6 Wildt (2003); 7 BArch R4901/13264; 8 Schmidhuber (1967), 8; 9 Gröschel (1929); 10 Schmidhuber (1967), 8; 11 Gröschel (1935a); 12 Gröschel (1937a). Foto: ZWR 68/1 (1967), 8 Wilhelm Gröschel (circa 1967) 66 | GESELLSCHAFT

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