Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 110, Nr. 11, 1.6.2020, (1125) und am 15. Mai 1937 wurde Gröschel Privatdozent. Im Oktober 1937 wech- selte er dann als Leiter der konservie- renden Abteilung an das Zahnärztliche Institut in Köln – verblieb jedoch auch hier im Status eines Dozenten. 1939 wurde er zum „Dozenten neuer Ord- nung“ ernannt – eine Stelle, die besser dotiert war als die bisherige Position. Im Zweiten Weltkrieg war Gröschel dann für die Behandlung von Kriegs- verletzten in Königswinter abgestellt; zeitweise fungierte er auch als Arzt (Sanitätsoffizier) bei der Luftwaffe. Die große universitäre Karriere blieb jedoch bis 1945 aus: Gröschel wurde weder etatmäßiger ordentlicher Professor (Ordinarius) – damals wie heute die höchste universitäre Karrierestufe – noch persönlicher ordentlicher Profes- sor oder außerordentlicher Professor (Extraordinarius). Er wurde lediglich 1942 zum außer- planmäßigen Professor ernannt; 13 da- bei handelte es sich um einen reinen korporationsrechtlichen Titel, der regelmäßig nach einigen Jahren an Privatdozenten vergeben wurde („Titu- larprofessor“), ohne dass damit ein spezifisches Dienstverhältnis begrün- det war. Auch das Arbeitsumfeld war schwierig: In Köln war ein neues Klinikgebäude gebaut worden, dies wurde jedoch 1943/44 – kurz nach der Errichtung – durch Bombenangriff so stark zerstört, dass Gröschel „im Hotel Adler in Königswinter“ behelfsweise einen „poliklinischen Behandlungs- raum“ einrichten musste. 14 HITLER-ANHÄNGER SCHON VOR DER MACHTÜBERNAHME Gröschel trat 1933 – unmittelbar vor der Verhängung der Mitgliedersperre – der NSDAP bei (Aufnahme 1. Mai 1933; Nr. 3.438.144). 15 Außerdem trat er in die NS-Volkswohlfahrt und in den NS-Dozentenbund ein. 1932 war er bereits Fördermitglied der SS gewor- den. In der Partei war weithin bekannt, dass Gröschel bereits in der Weimarer Republik rechtsradikal und antidemokratisch eingestellt war. So findet sich in den Archivakten der Hinweis, dass ein nicht näher benann- ter Kreisleiter Gröschel 1937 beschei- nigte, „schon vor der Machtübernah- me [...] Anhänger der Bewegung“ gewesen zu sein. 16 Dies erklärt wohl auch, dass Gröschel bereits im Jahr seines Parteieintritts wichtige politische Funktionen über- nehmen konnte: Von 1933 bis 1936 war er Amtsleiter (Propaganda- und Presseamtsleiter) in der NSDAP-Orts- gruppe Würzburg-Ost, von Januar 1936 bis September 1937 dann Dozen- ten(bund)führer an der Universität Würzburg und ab Februar 1937 sogar Gaudozentenbundführer der Gaulei- tung Mainfranken. 17 Als Dozenten(bund)führer erstellte Gröschel gefürchtete Gutachten „nach politisch-weltanschaulichen Kriterien“ zu Würzburger Hochschullehrern und nahm so Einfluss auf den beruflichen Werdegang seiner Kollegen. 18 Von 1942 bis 1944 wirkte Gröschel als stell- vertretender Dozenten(bund)führer an der Universität zu Köln. ER WIRKTE IM KLEINEN KREIS MIT AN DER NS-BERUFSETHIK Gröschel genoss unter den führenden Zahnärzten der NS-Zeit hohe Anerken- nung. So zählt ihn der Zahnarzt und glühende NS-Propagandist Erich Hein- rich 1933 19 zu dem „kleinen Kreis“ von „geeigneten Mitarbeitern“ für die Etablierung einer neuen zahnärztli- chen „Berufsethik“ auf dem Boden der NS-Ideologie. 20 Vor dem Hintergrund der genannten Funktionen und Beziehungen kann es nicht überraschen, dass Gröschel zu den insgesamt 25 Hochschullehrern der Zahnheilkunde gehört, die in Klees „Personenlexikon zum Dritten Reich“ (2013) verzeichnet sind 21 – auch Grütt- ner führt Gröschel in seinem „Biogra- phischen Lexikon zur nationalsozialis- tischen Wissenschaftspolitik“ (2004). 22 Zudem ist belegt, dass Gröschel in den frühen 1940er Jahren von den einfluss- reichen Professoren der Zahnheilkun- de Karl Pieper 23 und Eugen Wannen- macher 24 als „ordinariabel“ (geeignet für ein Ordinariat) eingestuft wurde. 25 Beide Gutachter waren prominente „NS-Zahnärzte“: Pieper war Otto Loos 26 1936 als Reichsdozentenführer nachgefolgt und Wannenmacher war Leiter der gleichgeschalteten zahn- ärztlichen Presse. Dennoch erlangte Gröschel bis zum Ende des „Dritten Reichs“, wie erwähnt, keinen Lehr- stuhl. ERFOLGREICH ALS MITLÄUFER EINGESTUFT Nach 1945 drohte Gröschel das beruf- liche Aus: Im April 1945 wurde er durch die britischen Besatzungsbehör- den entlassen. Von Januar bis Juni 1946 befand er sich dann in Internie- rungshaft. Es schloss sich ein Spruch- kammerverfahren an, das in Nördlin- gen durchgeführt wurde; hier versuchte Gröschel – wie in jenen Ver- fahren üblich 27 – mit Unterstützung von Leumundszeugen darzulegen, dass er eigentlich in politischer Distanz zum NS-Regime stand. Mit Erfolg: 1948 wurde er als „Mitläufer“ einge- stuft. 28 Ab 1948 finden wir Gröschel dann als niedergelassenen Zahnarzt in Nördlin- gen. 29 Diese Tätigkeit übte er bis 1956 aus, wobei er spätestens seit 1953 den „Facharzt für Zahn-, Mund- und Kief- erkrankheiten“ führte. 30 PROF. DR. DR. DR. DOMINIK GROß Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen Klinisches Ethik-Komitee des Universitätsklinikums Aachen MTI 2 Wendlingweg 2, 52074 Aachen dgross@ukaachen.de Foto: privat 13 Grüttner (2004), 64; 14 Gröschel (1972), 121; 15 BArch R 9361-II/322395; 16 BArch R 4901/13264; 17 BArch R 4901/13264; Grüttner (2004), 64; Klee (2013), 202; 18 Kalb (2005), 55, 181; 19 Guggenbichler (1988), 102; 20 Guggenbichler (1988), 103f.; 21 Klee (2013), 202; 22 Grüttner (2004), 64; 23 Groß (2020c); 24 Klee (2013), 409; 25 BArch R 9361-II/322395; 26 Groß (2020a); 27 Schwanke/Krischel/Gross (2016); Groß (2018b); Groß/Krischel (2020); 28 Grüttner (2004), 64; 29 ADDZ (1948), 18; 30 DZA (1953), 93. | 67

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