Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 110, Nr. 11, 1.6.2020, (1131) konsentierten Bewertung der Evidenz durch Mediziner und Zahnmediziner erhalten die Empfehlungen ein großes Gewicht über die Zahnmedizin hinaus und lassen auf eine breite Akzeptanz in der Medizin hoffen. In Europa sind Herz-Kreislauf-Erkran- kungen (Cardiovascular diseases, CVD) für 3,9 Millionen Todesfälle pro Jahr (45 Prozent der Todesfälle) verantwort- lich, wobei ischämische Herzkrankheiten, Schlaganfall und Bluthochdruck, die zu Herzinsuffizienz führen die Haupt- ursache für diese CVD-bedingten Todesfälle sind [Wilkins et al., 2017]. Die Parodontitis ist eine Volks- krankheit mit hoher Prävalenz [Jepsen und Dommisch, 2014] und in der Parodontologie werden mögliche Zu- sammenhänge zwischen Parodontitis und CVD sowie negative Auswirkun- gen der Parodontitis auf die kardio- vaskuläre Gesundheit schon lange dis- kutiert – auch in den zm [Dommisch et al., 2017; Kebschull und Jepsen, 2011]. Im Februar 2019 kamen im Rahmen eines von der EFP organisierten „Perio & Cardio Workshop“ unter der Lei- tung von Prof. Mariano Sanz und Prof. Søren Jepsen mehr als 20 Experten der EFP und des WHF zusammen, um die neuesten Erkenntnisse über die Zusam- menhänge zwischen parodontalen und kardiovaskulären Erkrankungen zu diskutieren und eine Reihe von Empfehlungen zur Prävention und Therapie zu erarbeiten. Der nun vor- liegende und publizierte Konsensus- bericht [Sanz et al., 2020a, b] basiert auf vier Fachbeiträgen, die systema- tisch die Evidenz für epidemiologische Zusammenhänge zwischen Parodonti- tis und CVD, Pathomechanismen zur biologischen Plausibilität in Bezug auf parodontale Bakterien und syste- mische Entzündung sowie Studien zur parodontalen lnterventionstherapie be- werteten. Der Perio & Cardio Workshop überprüfte auch das potenzielle Risiko und die Komplikationen einer Paro- dontaltherapie bei Patienten, die Anti- koagulanzien einnehmen – der Bericht enthält dazu detaillierte Empfehlungen. Im Konsensus wurde festgestellt, dass eine schwere Parodontitis unabhängig und signifikant mit kardiovaskulären Erkrankungen und mit kardiovaskulärer Mortalität in verschiedenen Populationen assoziiert ist. Zu den vorgeschlagenen Mechanismen zur Erklärung dieses Zusammenhangs gehören die Bakte- riämie und die damit verbundenen systemischen Entzündungsfolgen, ein- schließlich der Erhöhungen des C- reaktiven Proteins und des oxidativen Stresses. Die Empfehlungen zu Parodontitis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen be- inhalten unter anderem: \ Patienten mit Parodontitis sollten darauf hingewiesen werden, dass sie ein höheres Risiko haben, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen – einschließlich Herzinfarkt und Schlaganfall – zu erkranken. \ Ihnen sollte deshalb in der ärzt- lichen und in der zahnärztlichen Praxis geraten werden, aktiv mit Risikofaktoren umzugehen (wie Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht, Bluthochdruck, Ernährung mit hohem Gehalt an UNIV.-PROF. DR. MED. DENT. DR. MED. SØREN JEPSEN, M.S. Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsklinikum Bonn, Direktor der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde Welschnonnenstr.17, 53111 Bonn sjepsen@uni-bonn.de Foto: privat STIMMEN ZUM PERIO-CARDIO- WORKSHOP Aus der Parodontologie: „Dieser Workshop war eine groß- artige Gelegenheit sowohl für die Kardiologie als auch für die Parodontologie, die wissenschaft- lichen Erkenntnisse, die hinter Assoziationen stehen, auf rigorose und unvoreingenommene Weise zu überprüfen. Die Empfehlungen des Konsensusberichts können allen Interessengruppen bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Prävention sowohl von Herz- Kreislauf- als auch von Parodontal- erkrankungen helfen.“ Mariano Sanz, Ko-Vorsitzender des Perio-Cardio-Workshops, Professor für Parodontologie an der Universität Complutense in Madrid und Hauptautor des Konsensusberichts Aus der Kardiologie: „Dieser Bericht zeigt, dass ein Zusammenhang zwischen Parodontitis und koronarer Herz- krankheit besteht, und Menschen mit Parodontitis viele kardio- vaskuläre Risikofaktoren teilen. Es ist wichtig, sich dieses Zusam- menhangs bewusst zu sein und zu betonen, dass die Bekämpfung von Risikofaktoren wie Rauchen oder falsche Ernährung gerade bei Menschen mit Parodontitis einen erheblichen Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko hat.“ Burkert Pieske, Professor und Kardiologie-Chefarzt an der Charité und am Deutschen Herzzentum Berlin sowie am Berlin Institute of Health UNIV.-PROF. DR. MED. DENT. HENRIK DOMMISCH Centrum für Zahn-, Mund- und Kieferheil- kunde, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Direktor der Abteilung für Parodontologie und Synoptische Zahnmedizin Aßmannshauser Str. 4–6, 14197 Berlin henrik.dommisch@charite.de Foto: privat ZAHNMEDIZIN | 73

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