Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1182) ASCHAFFENBURGER COLD-CASE-FALL Zweites zahnärztliches Gutachten: Angeklagter kommt frei Im Aschaffenburger Cold-Case-Fall einer vor mehr als 40 Jahren ermordeten 15-Jährigen half das zweite zahnärztliche Gutachten mit, die Unschuld des Angeklagten zu beweisen. Er wurde jetzt freigelassen. D er Angeklagte war freizusprechen, weil nach der durchgeführten, äußerst umfangreichen Beweis- aufnahme auch nicht ansatzweise bewiesen ist, dass der Angeklagte am 18. Dezember 1979 Christiane J. ermordet hat“, begründete der Vorsitzende der Kammer, Dr. Karsten Krebs, das Urteil. Auch wenn die Kammer die Unschuld des Angeklagten am Ende nicht mit letzter Sicherheit feststellen könne, ist es nach Überzeugung der Kammer „sehr unwahr- scheinlich“, dass der Angeklagte der Täter gewesen ist. DIE 15-JÄHRIGE WURDE GEBISSEN UND ERWÜRGT Jahrzehntelang blieb der Fall, der Ende der 1970er-Jahre die Aschaffenburger monatelang bewegt hatte, ungelöst. Am 18. Dezember 1979 war die 15-jährige Christiane J. auf dem Heimweg von ihrem Stenografie-Kurs überfallen worden. Der Täter verbrachte sein Opfer in den Aschaffenburger Schlosspark, wenige Tage später wurde die Leiche des Mäd- chens gefunden. Sehr bald geriet damals der Nachbarsjunge Norbert B., heute 57 Jahre alt, ins Visier der Ermittler, aber die Beweise reichten nicht aus, um ihm den Prozess zu machen. Die Leiche wies unter anderem eine Bisswunde im Bereich der rechten Brust auf, das Opfer war erwürgt worden. Im Rahmen eines Cold-Case-Verfahrens wurde der Fall wie- der aufgenommen, am 9. Januar 2020 begann der Prozess. Anfang Februar wurde der erneut Tatverdächtige B. aus der U-Haft entlassen, der Prozess gegen ihn ging jedoch wenig später weiter. Grund für die U-Haft-Entlassung: Die Bisswunde hatte in dem Indizienprozess bis dahin als „sicherer Beweis“ dafür gegolten, dass B. als Täter infrage kam. Die Münchner zahn- medizinische Sachverständige Dr. Gabriele Lindemaier vom Institut für Rechtsmedizin der LMU München hatte das zahnärztliche Gutachten in dem Prozess erstellt. Weil es einige Details darin anzweifelte, kam das Gericht jedoch überraschend zu dem Urteil, dass dieses Gutachten „wert- los“ sei. DIVERSE WIDERSPRÜCHE MACHTEN DAS ERSTE GUTACHTEN WERTLOS So hatte die Gutachterin das Gebiss des Angeklagten mit der beim Opfer vorgefundenen, fotografisch gesicherten Bissspur verglichen und ausgesagt, „mit an Sicherheit gren- zender Wahrscheinlichkeit“ sei die 15-Jährige durch die Zähne des Angeklagten verletzt worden. Diesem Fachurteil Foto: AdobeStock_Olivier Le Moal 1979 wurde in Aschaffenburg eine 15-Jährige ermordet. Aufgrund des zweiten zahnärztlichen Gutachtens wurde der Angeklagte jetzt freigesprochen.

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