Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1192) bei den Milchzähnen zur täglichen Routine gehören sollte. Das beste Mit- tel gegen Karies sei immer noch die Prävention, sagte er. WENIGE KINDER HABEN BESONDERS VIEL KARIES Der Report geht auch auf die zuneh- mende Polarisierung der Karies ein: Wenige Kinder und Jugendliche haben besonders viel Karies. Das zeigt sich, wenn man in der Gruppe der unter 18-Jährigen die zehn Prozent betrach- tet, die die meisten Therapiekosten verursachen. Die Zahlen aus dem Report dazu: Im Jahr 2010 zogen sie 78,7 Prozent der Therapiekosten auf sich, 2018 bereits 85,2 Prozent. Außerdem besteht ein Zusammenhang zwischen dem Therapiebedarf der Heranwach- senden und dem Einkommen von Vater oder Mutter: Je geringer das Ein- kommen der Eltern, desto häufiger sind Therapieleistungen bei Heran- wachsenden, so das Ergebnis. VORN LIEGT DAS SAARLAND, HINTEN HAMBURG Die Autoren stellten zudem deutliche regionale Unterschiede fest. Die 12- Jährigen im Saarland haben demnach am wenigsten Karies im bleibenden Gebiss – 69,3 Prozent von ihnen hat- ten noch keine Versorgung. In Bremen sind es 68,7 Prozent, in Rheinland- Pfalz immer noch 68,1, Schlusslicht ist Hamburg mit 60,9 Prozent. Die Ur- sachen der regionalen Besonderheiten sind dem Report zufolge medizinisch unklar. Bei epidemiologischen Studien wie den DMS-Studien des IDZ würden repräsentative Stichproben gezogen, sagte Report-Hauptautor Prof. Dr. Michael Walter von der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der TU Dresden zu den unterschiedlichen Studienlagen. Die dabei häufig durch- geführte zahnärztliche Untersuchung ermögliche es, im Vorfeld festgelegte Befunde zu erheben. Anfällig seien solche Studien allerdings bezüglich des Anteils von Personen, die zur Stichprobe gehören, aber nicht an der Untersuchung teilnehmen. Walter zufolge ist so eine Verzerrung der Er- gebnisse möglich. Ein völlig anderer Ansatz seien Analysen von Krankenkassendaten, die primär nicht erhoben werden, um wissen- schaftliche Studien durchzuführen. Sie dienten unter anderem der Abrech- nung zahnärztlicher Leistungen. Die Schwächen lägen hier in Daten- unschärfen und -ungenauigkeiten. Andererseits könnten alle Versicherten erfasst werden. „Welche Studie letzt- lich näher an der Realität liegt, kann im Einzelfall nur vermutet werden. Bei den aktuellen Ergebnissen gehen wir davon aus, dass die Daten der BARMER die Karieserfahrung bei Kindern und Jugendlichen realitätsnah abbilden,“ zeigte sich Walter überzeugt. Ingesamt 54 Prozent der 10-Jährigen in Deutschland, rund 400.000 Kinder, wurden Walter zufolge schon wegen Karies behandelt. Diese Zahlen seien nicht nur aufgrund der Quantität alar- mierend. „Wer schon im Milchgebiss Karies hat, wird oft auch Karies und Folgeschäden im bleibenden Gebiss haben“, sagte Walter. In jedem Fall seien weitere Anstrengungen erforderlich, um die Zahngesundheit der Kinder und Jugendlichen im Milch- und im bleibenden Gebiss zu verbessern. 54 PROZENT SIND SCHON WEGEN KARIES BEHANDELT Eine Schutzmaßnahme gegen Karies in den bleibenden Backenzähnen sei bekanntlich die Fissurenversiegelung. Allerdings hielten nur 35,3 Prozent der erstmaligen Versiegelungen bei Heranwachsenden länger als neun Jahre. „Die Haltbarkeit von Fissuren- versiegelungen ist geringer als erwartet und bedarf der regelmäßigen zahnärzt- lichen Kontrolle. Das eigentliche Ziel, eine Karies zu vermeiden, wird aber auf lange Sicht offensichtlich zumeist erreicht“, sagte Walter. So habe sich nur bei 15,7 Prozent der erstversiegelten Fissuren innerhalb von neun Jahren Karies ge- bildet, so dass eine Füllung erfolgen musste. In über 80 Prozent der Fälle habe eine Versiegelung eine Füllung aufgrund von Kariestherapie mindes- tens neun Jahre lang verhindern können. pr Datenbasis des Standardteils des BARMER-Zahnreports sind Routinedaten der Krankenkasse von 2010 bis 2018. Zugrunde liegen Informationen zur vertragszahnärztlichen Versorgung von etwa 9,13 Millionen BARMER- Mitgliedern, die einem Anteil von knapp 12,5 Prozent aller GKV-Versicherten entsprechen. Bezogen auf die deutsche Bevölkerung wird ein Anteilswert von 10,9 Prozent erreicht. DAS FAZIT DES IDZ „Aus versorgungsepidemiologischer Sicht stehen die Ergebnisse der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) und die Ergebnisse des Barmer-Zahnreports 2020 in keinem Widerspruch. Beide Studien verfolgen methodisch völlig unterschiedliche Ansätze: Während die Deutschen Mundgesundheitsstudien das Ziel verfolgen, ein repräsentatives Abbild der Mundgesundheit der Bevölkerung in Deutschland zu zeichnen, kann der Barmer-Zahnreport das Leistungs- geschehen für eine umschriebene Gruppe Versicherter in deutschen Zahnarztpraxen aufzeigen. Dass dabei unterschiedliche Ergebnisse herauskommen, liegt auf der Hand. Vielmehr ist es Aufgabe der Wissen- schaft, sinnvolle Erklärungsansätze für diese Unterschiede herauszuarbeiten. Versorgungen an den Zähnen werden nur zum Teil wegen einer Karies- erkrankung angefertigt. Daneben erfolgen Versorgungen beispielsweise auch bei Zahnverletzungen (Trauma) oder entwicklungsbedingten und er- worbenen Zahnhartsubstanzdefekten. Bei Kindern kommen zusätzlich noch erweiterte Fissurenversiegelungen zum Tragen. All diese Versorgungen haben nicht die Karies als Ursache. Daher ist es ein Fehlschluss anzunehmen, dass das Problem der Karies in dieser Altersgruppe in epidemiologischen Großstudien in Deutschland regelmäßig unterschätzt würde.“ Das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) zum BARMER-Zahnreport 2020 22 | POLITIK

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