Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1195) Hepatitis und AIDS beherrscht. Heute gilt es, das Risiko von SARS-CoV-2 ebenfalls erfolgreich zu handhaben. Nahezu alle zahnärztlichen Instru- mente, die bei gängigen zahnärzt- lichen Behandlungen verwendet wer- den, erzeugen Aerosole: Handstücke mit niedriger und/oder hoher Ge- schwindigkeit, Turbinen, Schall- und Ultraschallgeräte, Luft-Wasser-Spritzen und Pulver-Wasserstrahl-Geräte [Graetz et al.,2014]. Aerosole unterscheiden sich von Tröpfchen und Sprühnebel. Aufgrund ihrer geringeren Partikelgröße (< 50 µm) können Aerosole mehrere Meter weit getragen und längere Zeit in der Raumluft nachgewiesen werden [Drisko et al., 2000]. In der Zahnmedizin können Aerosole entstehen als Feststoffpartikel, Pulver- staub (nicht kontaminiert), Spritzer, die sich schnell absetzen (kontaminiert), Geräteaerosol (nicht kontaminiert), Behandlungsaerosol (kontaminiert). Das Risiko einer Kontamination hängt von der Art der Behandlung, dem Infektionsgrad des Patienten und den präventiven Hygienemaßnahmen zur Minimierung der Übertragung konta- minierter Aerosole ab. Bis heute fehlt die wissenschaftliche Evidenz, die zeigt, welches Risiko Aerosole erzeugen und welche Gefahr für Kliniker und Patienten sie darstellen [RKI, 2020]. Ein Grund dafür sind die Schwierigkeiten, den Grad der Kontamination mit Bakterien und Viren, die in Aerosolen transportiert werden, effektiv zu messen. Über die virale und bakterielle Konta- mination von Aerosolen während einer professionellen Zahnreinigung mit AIRFLOW ® gibt es nach unseren Recherchen keine wissenschaftliche Literatur. Deshalb führten wir eine Praxis-Anwendungsbeobachtung durch, um das Risiko einer Aerosol- kontamination durch den Einsatz der AIRFLOW ® -Technologie besser zu verstehen. ZIEL Ziel der Anwendungsbeobachtung war es, die bakterielle Belastung der Raumluft während einer AIRFLOW ® - Behandlung zu messen, um Anhalts- punkte für die Einschätzung des Risikos für Behandler, Praxisteam und Patien- ten durch Aerosol-Kontaminationen während des Einsatzes der AIRFLOW ® - Technologie in verschiedenen Situatio- nen zu bekommen. MATERIAL UND METHODEN Die AIRFLOW ® -Behandlungen wurden in den Prophylaxeräumen der Firma EMS (Nyon, Schweiz) durch eine Zahnärztin (Dr. Neha Dixit, EMS) durchgeführt. Das Messprozedere und die Rahmenbedingungen für die Ausführung der Prophylaxe waren zuvor von den Autoren konzipiert worden. Behandelt wurden insgesamt 20 erwachsene Patienten im Alter von 30 bis 45 Jahren. Der Plaque-Index Quigley-Hein modifiziert nach Turesky [Turesky et al., 1970] lag im Durch- schnittswert über alle 20 Patienten bei 0,80. Die Prophylaxesitzungen fanden an vier aufeinander folgenden Tagen mit jeweils fünf Patienten statt. Zwischen den Behandlungen wurden die Räume gründlich gelüftet, um verbliebene Aerosole zu entfernen und eine neutrale Ausgangssituation für die nächste Sit- zung wiederherzustellen. Das Aerosol wurde bei jeder AIRFLOW ® - Behandlung exakt zehn Minuten ge- messen. Zum Auffangen der Aerosole kam ein mit gefiltertem Wasser vor- gefülltes Zyklon-System (PRELECT, Medentex GmbH, Bielefeld, Deutsch- land), das 20 cm neben dem Patienten- mund platziert wurde, zum Einsatz (Abbildung 1). Mit einer Cattani Hoch- leistungs-Vakuum-Absaugung 900 l/min (Cattani Micro Smart, Parma, Italien) wurden 9 m 3 des Luft-Aerosol-Gemischs während der zehnminütigen Behand- lung abgesaugt. Unmittelbar nach der Behandlung wurde die bakterielle Kon- tamination des Aerosols mithilfe eines Adenosin-TriPhosphat-Systems (ATP) gemessen. Diese Methode erlaubt die Bestimmung der Menge aller lebenden Bakterien [Watanabe et al., 2019]. Für die Untersuchung wurden drei Messgruppen definiert: \ Gruppe 1 (Kontrolle): Raumluftmessung ohne Behandlung, Messung der bakteriellen Belastung von 9 m 3 Luft im Behandlungsraum vor jeder Patientenbehandlung (20 Messungen) \ Gruppe 2: Raumluftmessung bei einer AIRFLOW ® -Behandlung mit Speichelzieher, ohne Mund- spülung, ohne Hochvakuum- absaugung (10 Patienten) \ Gruppe 3: Raumluftmessung bei einer AIRFLOW ® -Behandlung mit Speichelzieher, mit Mund- spülung, mit Hochvakuum- absaugung (10 Patienten) Entsprechend dem Ablaufprotokoll für die „Guided Biofilm Therapy“ (GBT) wurden die Patienten vor dem Beginn der Behandlung aufgefordert, 60 Sekunden lang mit Chlorhexidin (BacterX, EMS, Nyon, Schweiz) zu spülen (nur Gruppe 3). Nach der Er- hebung der Patientenanamnese und der Erfassung der notwendigen Be- funddaten wurde bei allen Patienten mit Augenschutz, Speichelzieher (Kala- dent, St. Gallen, Schweiz), Optragate (Ivoclar Vivadent, Schaan, Liechtenstein) gearbeitet, zusätzlich in Gruppe 3 mit Purevac ® -Hochvakuumabsaugung (Dentsply Sirona, York, Pennsylvania, U.S.A.). Der Biofilm wurde angefärbt (Biofilm Discloser, EMS) und sichtbar gemacht. Er wurde mit dem AIRFLOW ® PROPHYLAXIS MASTER (AFPM) und PROF. DR. MAGDA MENSI Università degli Studi di Brescia, Servizio di Odontostomatologia 5123 Brescia, Italien Foto: privat DR. KLAUS-DIETER BASTENDORF Praxis Dr. Strafela-Bastendorf Gairenstr. 6, 73054 Eislingen Foto: Fotografie Schielberg | 25
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