Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1208) C AD/CAM-Verfahren ermöglichen es heute, festsitzenden Zahn- ersatz mit hoher Präzision und sehr guter Passgenauigkeit auf dem Modell herzustellen. Ausschlaggebend dabei ist, wie gut es gelingt, die intra- orale Situation exakt an das zahntech- nische Labor zu übermitteln. Hier stellt die Abformung – sowohl konventionell als auch digital – das entscheidende Bindeglied dar. Mit fortschreitender Digitalisierung und zunehmend ver- besserter Prozessgenauigkeit der zahn- technischen Fertigung kristallisiert sich mehr und mehr die konventionelle Abformung als wesentlicher Schwach- punkt der Prozesskette heraus, die mit der Präparation beginnt und dem Ein- setzen der fertigen Arbeit endet. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass 86 Prozent aller konventionellen Abformungen zur Herstellung von fest- sitzendem Zahnersatz an mindestens einer Stelle einen Fehler aufweisen, der in 55 Prozent der untersuchten Fälle im Bereich der Präparationsgren- ze zu finden und somit als kritisch anzusehen ist [Rau et al., 2017] (Abbil- dung 1). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die konventionelle Ab- formung mit anschließender Modell- herstellung nicht durch digitale Ver- fahren ersetzt werden sollte. Da die Ursachen der in der konventionell- analogen Vorgehensweise entstehen- den Fehler weniger in der Modell- herstellung, sondern eher in der konventionellen Abformung verortet sind, wäre eine Teildigitalisierung der Prozesskette, im Sinne eines optischen Scans der konventionellen Abformung mittels Laborscanner, nicht zielfüh- rend. Zusätzlich wäre bei diesem Ver- fahren zu bedenken, dass die optische Reproduktion einer Abformung insbe- sondere im Frontzahnbereich schwierig ist [Wöstmann, 2016]. In diesem Kontext drängt sich immer mehr die digitale intraorale Abformung als Alternative auf. Betrachtet man sie als solche, ist die zugrundeliegende Technik nicht neu. Basierend auf ers- ten Konzepten von Francois Duret und Dianne Rekow aus dem Jahr 1972 und dem ersten tatsächlich am Markt ver- fügbaren System (CEREC), das Mörmann und Brandestini zusammen mit der Firma Siemens im Jahr 1985 vorstellten, hat sich die digitale intraorale Abfor- mung mittels Intraoralscanner beson- ders in den vergangenen zehn Jahren deutlich weiterentwickelt. Damit stellt sich die Frage, ob die ana- loge Abformung heute schon obsolet ist beziehungsweise ob die aktuell zur Verfügung stehenden digitalen Ab- formsysteme tatsächlich den konven- tionellen Verfahren hinsichtlich ihrer Genauigkeit überlegen sind. Darüber hinaus bieten einige Hersteller von Intraoralscannern neben der alleinigen digitalen Abformung zusätzliche Funk- tionen im Bereich Diagnostik, Planung und Monitoring an, die im Vergleich zur alleinigen konventionellen Abfor- mung einen Mehrwert in Bezug auf den Informationstransfer zwischen intra- oraler Situation und zahntechnischem Labor sowie der Patientenberatung und Therapieentscheidung darstellen könnten. DIE ANFORDERUNGEN AN DIE GENAUIGKEIT Grundsätzlich sind abhäng vom Ver- wendungszweck unterschiedliche Genauigkeitsanforderungen an eine Abb. 1: Beispiel einer konventionellen Oberkiefer- abformung mit einer Fehlstelle im Bereich des Präparationsrandes des Zahnes 11 (grüner Pfeil) DIGITAL VERSUS ANALOG Ist die konventionelle Abformung obsolet? Bernd Wöstmann, Maximiliane Amelie Schlenz Die Versprechungen der Dentalindustrie zu den Möglichkeiten des digitalen Workflows verdecken mitunter die Tatsache, dass Fortschritt oftmals ein mühevoller und kleinteiliger Prozess ist. Wie jede Innovation ist auch das Digitale kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug im Instrumentenkasten der Zahnmedizin, das seine Überlegenheit gegenüber dem Analogen Indikation für Indikation belegen muss. Eine Standortbestimmung für die Abformung und den dazugehörigen Arbeitsablauf. PROF. DR. MED. DENT. BERND WÖSTMANN Justus-Liebig-Universität Gießen, ZZMK Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik Schlangenzahl 14, 35392 Gießen bernd.woestmann@dentist.med . uni-giessen.de Foto: privat 38 | ZAHNMEDIZIN

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