Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1209) Abformung zu stellen. Steht primär die Wiedergabe präparierter Zähne im Vor- dergrund, so stellt sich insbesondere die Frage nach der Reproduktions- genauigkeit der Präparationsgrenze und der Dimensionstreue der einzel- nen Zahnstümpfe. In dieser Hinsicht ist die mit heutigen Intraoralscannern erreichbare Wiedergabegenauigkeit, sowohl was die Darstellung der Prä- parationsgrenze angeht als auch die geometrisch exakte Reproduktion des Einzelzahnstumpfs, konventionellen Verfahren tendenziell überlegen [Chochlidakis et al., 2016; Ender et al., 2016; Güth et al., 2013]. Dies umso mehr, als dass bei etwaiger Fehlerhaftigkeit beispielsweise eines einzelnen Zahnstumpfs in einer meh- rere Pfeiler umfassenden Abformung die digitale Abformung – anders als die konventionelle – nicht komplett wiederholt werden muss. Sofern näm- lich ein einzelner Pfeiler bei der digita- len Reproduktion nicht zureichend dargestellt ist, lässt sich dieser in der Software der meisten Intraoralscanner partiell korrigieren, ohne dass dies die Genauigkeit des Scandatensatzes beeinflusst [Reich et al., 2020]. Diese Möglichkeit erlaubt zudem eine weiter- gehende Fehlerkorrektur. Wenn etwa im Verlauf des Scanvorgangs erkannt wird, dass die Präparation als solche noch nachgearbeitet werden müsste, ist dies ohne weiteres möglich. Dies betrifft sowohl die Korrektur der Präpa- rationsgrenze als auch eine weiter- gehende okklusale Reduktion des Stumpfes, sofern erkennbar wird, dass der vorhandene Platz zum Antagonis- ten für die geplante Restauration nicht zureichend ist. Die heute bei mittler- weile allen Scansystemen vorhandenen Abstandsfunktionen, die auf einfache Weise das okklusale Platzangebot über- prüfen können, erleichtern dabei das Vorgehen. Dagegen sind solche Kor- rekturmaßnahmen im Rahmen einer konventionellen Abformung nicht möglich, es sei denn, man wiederholt die gesamte Abformung (Abbildung 2). Anders als bei der Abformung präpa- rierter Zähne stellen sich die Anforde- rungen bei der Übertragung der Im- plantatposition auf ein digitales oder virtuelles Modell grundsätzlich anders dar. Hier ist es nicht so sehr die Genauig- keit im Bereich der Präparationsgrenze, die es möglichst exakt zu erfassen gilt, sondern vielmehr die möglichst fehler- freie dreidimensionale Reproduktion der Implantatposition im Mund des Patienten auf einem wie auch immer gearteten Modell. Diese Übertragung muss so genau sein, dass verbleibende Diskrepanzen durch die Summation der Elastizität des Knochens zwischen den Implantaten, der Restbeweglich- keit der Implantate und der Fertigungs- toleranzen der Abutments aufgefangen werden können. Für sofort belastete Implantate wird eine Eigenbeweglich- keit von 8 bis 15 µm angegeben [Chang et al., 2012], die mit zunehmender Osseointegration allerdings auf min- destens die Hälfte abnimmt [Winter et al., 2013]. Daraus lässt sich in erster Näherung ableiten, dass bei der Ver- bindung von zwei Implantaten ein Dimensionsfehler von etwa 20 µm (10 µm pro Implantat) nicht überschritten werden darf. Das wesentliche Problem der digitalen intraoralen Abformung besteht darin, dass es mit allen heute verfügbaren Systemen nicht möglich ist, den ge- samten Kiefer oder auch nur eine Kieferhälfte auf einmal zu erfassen. Vielmehr liefern alle Scansysteme lediglich Ausschnittbilder, die in Ab- hängigkeit von der jeweiligen Größe des Scanfeldes nur wenige Zähne ab- bilden. Somit muss die Intraoralscanner- software in einem Matchingprozess die Einzelbilder zu einem Gesamtmodell des Kiefers zusammensetzen. Die Matching- Algorithmen der jeweiligen Hersteller entscheiden hier darüber, mit welcher Genauigkeit die dreidimensionale Geo- metrie von Kiefersegmenten beziehungs- weise vom ganzen Kiefer abgebildet wird. Darüber hinaus ist die Einhal- tung des für das jeweilige Scansystem empfohlenen Scanpfads bei der Durch- führung eines Ganzkieferscans zwin- gend erforderlich [Müller et al., 2016; Passos et al., 2019]. Situationsscan 2. Abformung Finaler Scan Abformung Fehler in Abformung / Scan Partielle Korrekturen Wiederholung Präparation Abb. 2: Sche m atische Darstellu n g der Möglichkeite n der Fehlerkorrektur i n der ko n ve n tio n elle n (grü n ) u n d i n der digitale n Prozesskette (blau) Quelle: Zahnärztliche Prothetik JLU Gießen Fehlerkorrektur in der konventionellen und in der digitalen Prozesskette | 39

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