Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1212) Inwieweit tatsächlich eine digitale Abformung schneller durchgeführt werden kann als eine konventionelle, lässt sich daher nicht allgemein beant- worten. Eine konventionelle Abfor- mung dauert grundsätzlich immer exakt genau so lange, wie das verwen- dete Abformmaterial vom Misch- beginn bis zum Aushärten benötigt. Anders dagegen verhält es sich mit dem Zeitbedarf der digitalen Abfor- mung. Sofern nur eine einzelne Präpa- ration gescannt werden muss und ein Quadrantenscan von Ober- und Unter- kiefer als ausreichend angesehen wird, ist dieser Scanvorgang in der Regel deutlich schneller durchzuführen als eine Präzisionsabformung des betrof- fenen Kiefers zuzüglich der Situations- abformung des Gegenkiefers. Mit jedem zusätzlich zu scannenden Zahn steigt allerdings der Zeitaufwand der digitalen Abformung. Und auch die individuelle Scanerfahrung des An- wenders muss bei der Frage nach dem Zeitbedarf berücksichtigt werden. Bei der Reproduktion eines gesamten Kie- fers zur Anfertigung eines Situations- modells wird von verschiedenen Autoren ein Gesamtzeitaufwand be- schrieben, der in etwa mit der konven- tionellen Abformung vergleichbar ist. Unter Berücksichtigung des gesamten Workflows einschließlich der Modell- herstellung ist die digitale Abformung den konventionellen Techniken je- doch deutlich überlegen, da hier mit den Scandaten direkt weitergearbeitet werden kann. NOCH IST DIE ANALOGE TECHNIK UNVERZICHTBAR Wenn auch zahn- und implantat- bezogene Indikationen bereits weit- gehend mit digitalen Methoden abge- formt werden können, so versteht es sich doch von selbst, dass alle Arten von Sammelabformungen – etwa in der Doppelkronentechnik – nicht digital durchführbar sind. Gleiches gilt für die Wiedergabe bewegter Schleimhaut- areale, etwa bei der Funktionsabfor- mung in der Totalprothetik, die nach wie vor zwingend eine konventionelle Abformtechnik erfordert. Auch in die- ser Situation bedarf es zunächst der grundlegenden Weiterentwicklung der Detektionsalgorithmen intraoraler Scansysteme, die bislang darauf opti- miert sind, bewegliche Strukturen als irrelevant zu identifizieren und zu eliminieren. Vielmehr wäre zur Durch- führung einer Funktionsabformung erforderlich, die in der Funktion be- wegten Weichteile im Sinne einer Hüllkurve erfassen zu können, um den Raum darzustellen, der von dem in der Funktion bewegten Gewebe einge- nommen wird. Für die Auswahl des Abformverfahrens (digital oder konventionell) ist aber nicht nur die Frage der prinzipiellen Reproduzierbarkeit der intraoralen Situation entscheidend, sondern eben- falls die Art des sich anschließenden Prozessweges im zahntechnischen Labor. Jedwede Abformung – einerlei ob konventionell oder digital – dient niemals einem Selbstzweck, sondern stellt immer das Mittel zum Zweck dar, im zahntechnischen Labor an- schließend Zahnersatz oder zahnärzt- lich-therapeutische Hilfsmittel (zum Beispiel individuelle Löffel, kiefer- orthopädische Geräte oder Schienen) herzustellen. In den Fällen, in denen der weitere zahntechnische Prozessweg digital er- folgen soll, ist eine digitale intraorale Abformung selbstverständlich von Vorteil. Ist jedoch im Labor ein kon- ventioneller analoger Herstellungsweg vorgesehen (zum Beispiel bei der Anfertigung einer Interimsprothese), bringt der intraorale Scan keinen Vor- teil, da mit vergleichsweise hohem Aufwand auf Basis des Scans zunächst ein konventionelles Modell erzeugt werden müsste. DIESE TRENDS SIND ZU ERWARTEN Zunehmend wird auf Industrieseite erkannt, dass Intraoralscanner weit mehr als eine alleinige Abformungs- ersatzapplikation darstellen können. So werden zunehmend Zusatzfunktio- nen angeboten, von der patienten- spezifischen Simulation des Behand- lungsergebnisses, der digitalen Bestimmung der Zahnfarbe über ein Monitoring von Zahnhartsubstanz- defekten bis hin zur Kariesdetektion (Abbildung 8). Insbesondere in Bezug auf die Möglichkeit der Kariesdetektion sei jedoch angemerkt, dass hierzu wis- Abb. 7: Boxplotdiagramm der Streckenabweichungen von Ganzkieferabformungen verschiedener Intraoralscanner und einer konventionellen Polyetherabformung Quelle: Zahnärztliche Prothetik JLU Gießen Boxplotdiagramm der Streckenabweichungen von Ganzkieferabformungen ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 42 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=