Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1219) und auch der Zeitpunkt der Nahrungs- aufnahme beeinflussen vor allem die Freisetzung und Resorption, zum Teil auch die Metabolisierung von Arznei- stoffen. Das geschieht insbesondere durch folgende Effekte: \ Verzögerung der Magenentleerung \ Erhöhung des pH-Wertes des Magensafts \ Komplexbildung und Adsorptionseffekte \ Beeinflussung von Transportproteinen \ vermehrte Gallesekretion Den größten Einfluss auf die Resorption hat die verzögerte Magenentleerung aufgrund der verringerten Magen- motilität bei Nahrungsaufnahme [Frömming, 1981]. Im Vergleich zur Nüchterneinnahme kann es durch den „negativen Food-Effekt“ bei der Einnahme eines Arzneimittels zu einer Mahlzeit aufgrund der dann verlang- samten Magenentleerung auch zu einer Verlangsamung der Wirkstoff- anflutung und zu einer Abflachung der Plasmaspiegelkurve kommen [Smollich und Podlogar, 2016] (Abbil- dung 1). Diese Effekte treten bei fett- reicher, heißer sowie grober Nahrung besonders stark auf [Frömming, 1981; Gaschott und Stein, 2003]. In einer Studie von Divoll et al. wurde für das Schmerzmittel Paracetamol (Acetaminophen) belegt, dass die maximale Plasmakonzentration bei Nüchterneinnahme signifikant höher ausfiel und schneller erreicht wurde als nach dem Frühstück [Divoll et al., 1982]. Dieser Effekt trat altersunabhän- gig auf. Zwar führt die Einnahme von sauren Analgetika (zum Beispiel Ibuprofen, Acetylsalicylsäure) auf nüchternen Magen ebenfalls zu einer schnelleren Absorption und einem beschleunigten Wirkungseintritt, allerdings besteht bei diesen Wirkstoffen dann ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Schleim- hautreizungen und sogar Blutungen [Verspohl, 2002; Wisker, 2010]. Bei vollem Magen empfehlen sich Tropfen, Säfte oder Brausetabletten, denn sie ge- langen am Mageninhalt vorbei zum Pylorus und in den resorptionsaktiven Dünndarm [Verspohl, 2002; Freitag- Ziegler, 2015]. Die zumeist bessere Resorption von Tropfen gegenüber Tabletten zeigt sich deutlich bei Meta- mizol. In einer klinischen Studie war der Speichelspiegel nach oraler Gabe von 1 g Metamizol (als Tropfen beziehungs- weise Tabletten) 20 Minuten nach der Einnahme bei den Tropfen doppelt so hoch wie bei den Tabletten [Rohdewald, 1983] (Abbildung 2). Für die meisten Antibiotika kann die Einnahme etwa eine Stunde vor dem Essen mit ausreichend Flüssigkeit emp- fohlen werden. So ergeben sich für die säurelabilen Arzneistoffe kürzere Kontaktzeiten mit dem Magensaft so- wie geringere Verweilzeiten im Darm, so dass Durchfälle als Zeichen einer Beeinträchtigung der Darmflora sel- tener auftreten. Außerdem entstehen hohe Blutspiegelspitzen, bei denen auch weniger sensible Erreger geschädigt werden, die eine höhere minimale Hemmkonzentration aufweisen [Verspohl, 2002]. Die Hersteller emp- fehlen trotzdem bei Amoxicillin die Einnahme zur Mahlzeit. Bei dieser Überlegung hat die Vermeidung von Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen) Vorrang vor der möglichen Verringe- rung der Bioverfügbarkeit [Verspohl, 2002]. Eine Übersicht der Einnahme- hinweise der für die Zahnmedizin relevanten Pharmaka ist in Tabelle 2 dargestellt. Feste orale Darreichungsformen (zum Beispiel Tabletten, Kapseln) sollen laut Gebrauchsinformation fast immer mit PD DR. MED. DR. MED. DENT. FRANK HALLING Gesundheitszentrum Fulda Praxis für MKG-Chirurgie/ Plastische Operationen Gerloser Weg 23a, 36039 Fulda und Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Marburg Baldingerstr., 35043 Marburg Dr.Halling@t-online.de Foto: privat C max nüchtern zur Mahlzeit t max Zeit (t) t 0 Plasmakonzentration des Arzneistoffs (C) Abb. 1: Verlauf der Plasmakonzentration eines Arzneistoffs (C) bei Nüchterneinnahme und bei Einnahme während einer Mahlzeit Quelle: Frank Halling Verlauf der Plasmakonzetration eines Arzneistoffs (C) | 49
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