Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1221) Wirkung oder Nebenwirkung gekenn- zeichnet, ohne jedoch zu einer wesent- lichen Änderung der Plasmaspiegel zu führen. Sie können auftreten, wenn sich Arzneistoffe und Nahrungs- bestandteile durch Wechselwirkungen an einem Rezeptor, an einem Erfolgs- organ oder in physiologischen Regel- kreisen in ihrer Wirkung verstärken oder abschwächen. Sie treten bei Nah- rungsmitteln eher selten auf, sind aber für die Zahnmedizin teilweise äußerst relevant (zum Beispiel im Hinblick auf pflanzliche Arzneimittel und Antiko- agulantien). In diesem Zusammenhang sind beson- ders Vitamin-K-haltige Nahrungsmittel wie Blattsalat, Spinat, Brokkoli und verschiedene Kohlsorten zu nennen. Sie können die Wirkung der sogenann- ten Vitamin-K-Antagonisten (Phenpro- coumon – Marcumar®, Warfarin – Coumadin®) massiv beeinflussen. Vitamin K ist daran beteiligt, die Ge- rinnungsfaktoren II, VII, IX, X in ihre gerinnungswirksamen Formen zu überführen. Vitamin-K-Antagonisten hemmen die Vitamin-K-abhängige Carboxylierung von Vorstufen der Gerinnungsfaktoren. Somit kann bei einem reduzierten Verzehr von Vita- min-K-haltigen Nahrungsmitteln (zum Beispiel durch Änderung der Ernäh- rungsgewohnheiten) die blutgerinnungs- hemmende Wirkung der Vitamin-K- Antagonisten erhöht werden. Eine verstärkte Antikoagulation mit erhöhtem Blutungsrisiko ist möglich. Alkohol (Ethanol) kann die Pharmako- kinetik und -dynamik verschiedenster Arzneistoffe nachhaltig beeinflussen. Da von den betroffenen Patienten in der Anamnese häufig Art und Umfang des regelmäßigen Alkoholkonsums nicht korrekt angegeben werden, kön- nen entsprechende Interaktionen zu Therapiebeginn nicht antizipiert werden [Smollich und Podlogar, 2016]. Eine patientenorientierte Kommuni- kation ist hier für den Zahnarzt von entscheidender Bedeutung. Auf pharmakokinetischer Ebene ist be- sonders die verstärkte Hepatotoxizität von Paracetamol zu nennen, da bei Leberfunktionsstörungen durch chro- nischen Alkoholkonsum ein hepato- toxischer Metabolit des Paracetamols verstärkt gebildet und verlangsamt ab- gebaut wird [Smollich und Podlogar, 2016]. Pharmakodynamisch ist die kli- nisch relevante Interaktion des Alkohols mit sedierenden Wirkstoffen zu nennen. In der Zahnmedizin bezieht sich die additive Verstärkung der Sedierung über- wiegend auf das Codein, das in einigen beliebten Analgetikakombinationen (zum Beispiel Dolomo®, Paracetamol comp.®) enthalten ist. Bei der Kombi- nation von Alkohol mit nichtsteroida- len Antirheumatika (NSAR, zum Bei- spiel Ibuprofen) ist besondere Vorsicht geboten, da sich das Risiko gastrointes- tinaler Blutungen drastisch erhöhen kann [Kaufman, 1999]. Bei einer gleich- zeitigen Antikoagulantientherapie ist mit schwer vorhersehbaren Wechsel- wirkungen zu rechnen [Smollich und Podlogar, 2016]. PHYTHOTHERAPEUTIKA UND NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL Nahrungsergänzungsmittel gehören zu den Lebensmitteln. Sie sind dazu bestimmt, die normale Ernährung zu ergänzen, um beispielsweise eine opti- male Versorgung sicherzustellen und einen Mangelzustand zu vermeiden. Typische Bestandteile der Produkte sind Vitamine, Mineralstoffe, Amino- säuren, Fettsäuren, pflanzliche Extrakte und Probiotika. Nahrungsergänzungs- mittel sind keine Arzneimittel, in der Praxis existieren aber verschiedene Berührungspunkte. Lebensmittel- produzenten sind jedoch nicht ver- pflichtet, über Gegenanzeigen, Neben- und Wechselwirkungen mit Arznei- mitteln zu informieren. Freiwillige Hinweise sind allerdings möglich und sollten von den Herstellern nach Mög- lichkeit auch genutzt werden. Aus zahnärztlicher Sicht sind beson- ders diejenigen Nahrungsergänzungs- mittel und Phythotherapeutika interes- sant, die unmittelbaren Einfluss auf unsere Behandlungsplanung nehmen. An erster Stelle sind hier die auf die Blutgerinnung wirkenden pflanzlichen Arzneimittel zu nennen. In einer 2015 publizierten Umfrage berichteten fast 35 Prozent der erwachsenen Amerika- ner, dass sie regelmäßig pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel nehmen 1 2 3 4 Tropfen Tabletten Speichelspiegel µg/ml 10 0 20 30 40 Minuten Abb. 2: Speichelspiegel bei Ei nn ahme vo n 1g M etamizol als Tropfe n u n d als Tablette n Quelle: Frank Halling mod. nach [Rohdewald, 1983] Speichelspiegel bei Einnahme von Metamizol | 51
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=