Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1226) fernt werden. Abschließend erfolgten der mehrschichtige Wundverschluss mit Fensterung nach vestibulär (Abbil- dung 6), eine intraoperative Alginat- abformung zur Herstellung eines Obturators sowie die Einlage einer Tamponade. Die Tamponade konnte nach fünf Tagen entfernt und der fertiggestellte Obturator durch die Kollegen der Kie- ferorthopädie eingegliedert werden. Die histopathologische Aufbereitung zeigte eine Zyste mit Auskleidung durch Plattenepithel, fibrosiertem Binde- gewebe und lymphozytärer Infiltration – vereinbar mit dem klinischen Bild einer follikulären Zyste (Abbildung 7). DISKUSSION Als Zysten werden epithelial ausge- kleidete, von Flüssigkeit gefüllte Hohl- räume im Hart- oder Weichgewebe bezeichnet. Follikuläre Zysten zählen zu den Zysten odontogenen Ursprungs und entstehen im Bereich retinierter Zähne zwischen dem inneren und dem äußeren Schmelzepithel. Durch nicht-infiltrierendes, langsames Wachstum bleibt ihr Voranschreiten lange asymptomatisch und oft werden sie – wie im vorliegenden Fall – beim radiologischen Screening aufgrund eines ausbleibenden Zahndurchbruchs nur zufällig gefunden [Alkhatib & Manton, 2010]. Der Häufigkeitsgipfel findet sich zwischen der zweiten und der dritten Lebensdekade, wobei das männliche Geschlecht häufiger betrof- fen ist [Hyomoto et al., 2001; Soluk et al., 2016]. Radiologisch präsentieren sich folli- kuläre Zysten als unilokuläre, gut ab- grenzbare Läsionen im Bereich des Alveolarknochens mit einem partiellen oder kompletten Einschluss der Krone eines retinierten Zahnes mit Kontakt im Bereich der Schmelz-Zement-Grenze [Guven et al., 2014]. Zwei Typen follikulärer Zysten werden unterschieden: Bei der durch die Zahn- entwicklung bedingten Zyste kommt es zu einer Aufweitung des Zahnsäck- chens impaktierter Zähne. Inflamma- torisch bedingte Zysten hingegen resultieren aus einer absteigenden Entzündung avitaler Milchzähne oder anderer entzündlicher Prozesse. Eine Unterscheidung der Ätiologie kann nur durch die Kombination der kli- nischen Untersuchung und der histo- pathologischen Beurteilung erfolgen. Bei Größenprogredienz von folliku- lären Zysten können Symptome wie Zahnlockerung, Zahnverlagerungen oder infektiöse Prozesse auftreten. Als Komplikationen sind neben Zahn- verlust auch Frakturen, Nervschäden und in seltenen Fällen metaplastische Transformationen zu Ameloblastomen oder Mukoepidermoidkarzinomen zu nennen [Tamgadge et al., 2011]. Aufgrund der differenzialdiagnostischen Möglichkeiten ist eine histopatholo- gische Untersuchung unbedingt anzu- streben. Als Differenzialdiagnosen kommen neben gutartigen Befunden wie der radikulären Zyste auch andere Neoplasien wie die Keratozyste oder das Ameloblastom infrage. \ Alle Fotos: Kämmerer Abb. 6: Zystostomie zur Einbringung eines Obturators Abb. 7: Histopathologisches Präparat FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Follikuläre Zysten können aufgrund ihres verdrängenden Wachstums lange asymptomatisch bleiben und eine beträchtliche Größe erreichen. \ Eine chirurgische Entfernung der Zyste in toto sollte je nach Möglichkeit erfolgen. \ Eine histopathologische Aufbereitung zur Bestimmung der Dignität ist anzustreben. ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 56 | ZAHNMEDIZIN

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