Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1227) EINE GESCHICHTE DER MASCHINELLEN BEATMUNG Mit dem Pulmotor fing alles an Vor 100 Jahren sieht Johann Heinrich Dräger in London, wie ein Mann aus der Themse geborgen und wiederbelebt wird. In ihm reift eine Idee: Auf grund von Sauerstoffmangel bewusstlose Menschen vor Ort maschinell zu beatmen. Er entwickelt den „Pulmotor“, das wahrscheinlich erste Beatmungsgerät der Welt, für das er 1907 das Patent erhält. D er Pulmotor war nicht Drägers erstes Patent. Bereits 1889 ent- wickelte er ein Druckminderer- ventil für Kohlensäure, zu Beginn des 20 Jahrhunderts dann Atemschutz- geräte für Bergungsleuten unter Tage. Dräger machte sich dabei vor allem bei Grubenrettern in Nordamerika einen Namen. Bis heute nennen sich die Grubenwehren und Rettungsmann- schaften in den USA und Kanada „Draegermen“. In der Entwicklung von Beatmungs- geräten waren zwei Fertigkeiten ge- fragt: Die Konstrukteure mussten sich in Steuerungsprinzipien auskennen und sie mussten mit der Handhabung von Druckgasen vertraut sein. Beide Voraussetzungen waren zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in der noch jungen Firma „Heinrich & Bernhard Dräger“ gegeben. In seiner Publikati- on „Das Werden des Pulmotors“ be- schreibt der Unternehmensgründer Dräger seine Überlegungen zur Ent- wicklung eines Beatmungsgeräts. ALS GELERNTER UHRMACHER KANNTE ER DIE MECHANIK Er skizziert darin eine neue Technolo- gie zum „Einblasen von Frischluft oder Sauerstoff in die Lunge“. Sein mit Druck-Sauerstoff betriebener Pulmotor erzeugte abwechselnd einen positiven und negativen Atemwegsdruck. Für die Umschaltung zwischen Ein- und Aus- atmung setzte Dräger in seinem Ur- Pulmotor eine Mechanik ein, die ihm als gelerntem Uhrmacher recht geläu- fig war: Die Steuerung des Beatmungs- musters erfolgte mit einem modifizier- ten Uhrwerk mit Kurvenscheibe. Dräger wählte er für seine Beatmungs- maschine ein technisches Prinzip, bei dem die Dauer der Ein- und Ausatem- phase während der – zeitgesteuerten – künstlichen Beatmung unverändert blieb. DER REST DER WELT GING ERST EINEN ANDEREN WEG Der Rest der Welt folgte damals einem anderen Weg: Zur Steuerung des Beat- mungsmusters diente ihnen ein soge- nanntes druckgesteuertes System, das nach Erreichen bestimmter Beatmungsdrücke auf Aus- beziehungs- weise auf Einatmung umschaltete. Moderne Beatmungsgeräte sind jedoch nicht mehr druckgesteuert, sondern überwiegend zeitgesteuert. Fotos: Drägerwerk AG & Co. KGaA Pulmotor auf Stativ mit Zusatz- vorrichtung zur Anreicherung der Atemluft mit Kohlendioxid zur Anwendung im Operationssaal. GESELLSCHAFT | 57

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