Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 110, Nr. 12, 16.6.2020, (1246) INTERVIEW MIT DR. ERNST GIRTH „Gewalt und Hetze machen auch vor Arztpraxen nicht halt“ Bei der Ärztekammer Hessen gibt es seit Kurzem einen Rassismusbeauftragten: den 74-jährigen Kardiologen Dr. Ernst Girth. Ob Arzt oder Patient – jeder, der sich im ärztlichen Umfeld diskriminiert fühlt, kann sich an ihn wenden. Mit der neuen Funktion will die Kammer ein ausdrückliches Signal gegen Rassismus setzen. Girth ist Ansprechpartner für rassistische und gewalttätige Vorfälle in Einrichtungen des Gesundheitswesens. Herr Dr. Girth, Sie sind der neue Menschenrechts- und Rassismus- beauftragte der Ärztekammer Hessen. Wie kam es zu diesem Amt? Dr. Ernst Girth: Als langjähriger Beauftragter für Menschenrechte der Landesärztekammer Hessen hatte ich in der Vergangenheit schon Erfahrung mit rassistischen Menschenrechts- verletzungen. Dass die LÄKH das vom Land Hessen initiierte Aktions- programm „Hessen gegen Hetze“, mit dem die Landesregierung Rechts- extremismus, Gewalt und Hass im Internet entgegentritt, ausdrücklich begrüßt hat, war der erste Schritt. Da Gewalt und rechte Hetze auch vor Arztpraxen nicht halt machen, war es konsequent, dort, wo wir zuständig sind, auch selber aktiv zu werden. Wegen meiner bisherigen Erfahrungen hat das Präsidium entschieden, meinen Tätigkeitsbereich zu erweitern und mich zum „Menschenrechts- und Rassismusbeauftragten der LÄKH“ zu ernennen. Was kann ein Rassismusbeauftrag- ter bewirken – und wann werden Sie aktiv? Der Präsident der LÄKH, Dr. Edgar Pinkowski, sagte in einer Presse- erklärung: „Nur gemeinsam können wir auf Dauer ein tolerantes gesell- schaftliches Klima in Hessen bewah- ren.“ Dazu möchte ich beitragen durch Beobachtung von Ereignissen und deren Moderation. Durch Kontakte mit vor Ort tätigen Menschenrechts- gruppen, Anwälten und der lokalen Presse möchte ich mich als Ansprech- partner für rassistische und gewalt- tätige Vorfälle in Einrichtungen des Gesundheitswesens anbieten. Grundsätzlich werde ich wie bisher aktiv, wenn ich angeschrieben werde oder über andere Quellen von einem Vorfall erfahre, höre beide Seiten an, versuche zu moderieren und – wenn das nicht möglich ist – mich mit der Rechtsabteilung der LÄKH zu beraten. Können Sie das an einem Beispiel erläutern? Die erste Reaktion kam von einem nie- dergelassenen Arzt, der sich über einen aggressiv auftretenden ausländischen Patienten beschwerte, der nicht warten wollte. Hier ging es mehr um Ver- ständnis und Moderation – aber auch solche Eingaben sind wichtig, damit bei der Kammer ein möglichst differenziertes und realistisches Bild der Situation vor Ort entsteht und wir nicht nur Politik am Schreibtisch machen. Gab es einen konkreten Anlass, die Position eines Rassismus- beauftragten ins Leben zu rufen? Neben der angesprochenen hessischen Initiative waren es zunehmende Berichte über Gewaltereignisse in Praxen und Krankenhäusern, die die LÄKH bewogen haben, hier aktiv zu werden. Aber auch Beispiele aus der Vergangenheit, wie der Fall eines niedergelassenen Arztes, der einer Arzt- helferin das Tragen eines Kopftuchs DR. ERNST GIRTH Menschenrechts-und Rassismusbeauftragter der LÄKH Foto: privat 76 | GESELLSCHAFT
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