Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13
zm 110, Nr. 13, 1.7.2020, (1292) MKG-CHIRURGIE Bergung und Replantation verschluckter Frontzähne Paula Korn, Anna Voge, Silke Leonhardt, Helena Posch, Max Heiland Die Prognose avulsierter Zähne ist abhängig von einer möglichst hohen Überlebensrate desmodontaler Zellen auf der Wurzeloberfläche. Bereits bei einer Trocken- lagerungszeit von mehr als einer Stunde geht man davon aus, dass die PDL-Zellen nicht mehr vital sind. Doch wie wirkt sich eine „Lagerung“ der Zähne im Magen aus? Bei einem Motorradunfall verschluckte die Patientin die Zähne 12, 11 und 21. Der Fall gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus. E ine 18-jährige Patientin wurde durch den Rettungsdienst über den Schockraum unserer Klinik vorgestellt. Sie war als Fahrschülerin mit dem Motorrad bei circa 25 bis 30 km/h gestürzt und mit dem behelmten Kopf gegen einen Baum geprallt. Die Frau war nicht bewusstlos, sondern zeigte sich in der Rettungsstelle wach und allseits orientiert. Es bestanden keine Vorerkrankungen und es lag ein intakter Tetanusschutz vor. Klinisch konnten extraoral eine Riss- Quetsch-Wunde der Unterlippe sowie Schürfwunden am Kinn festgestellt werden. Intraoral war die vollständige Avulsion der Zähne 12, 11 und 21 sichtbar. Das im Rahmen des Schock- raummanagements durchgeführte Thorax-Röntgen offenbarte drei rönt- gendichte Strukturen in Projektion auf den linken Oberbauch (Abbildung 1), so dass der Verdacht auf eine Ingestion der drei avulsierten Zähne mit Lage im Magenlumen geäußert wurde. Aufgrund des Unfallmechanismus wurde ergänzend eine Computertomo- grafie der Kopf-Hals-Region veranlasst (Abbildung 2), die lediglich minimale ossäre Begleitschäden der involvierten Zahnfächer nachwies. Weitere ossäre Traumafolgen und eine akute intra- kranielle Blutung konnten somit aus- geschlossen werden. Das OPTG (Abbil- dung 3) zeigte die leeren Zahnfächer 12, 11, 21. Die übrigen Zähne wurden durch den Sturz nicht beschädigt. Mit Zustimmung der Patientin wurde gemeinsam mit der diensthabenden Gastroenterologin ein endoskopischer Bergungsversuch der Zähne geplant, um diese möglichst zu replantieren. Zunächst erfolgte in Lokalanästhesie die chirurgische Wundversorgung der Riss-Quetsch-Wunde der Unterlippe. Durch die Kollegin der Gastroenterologie schloss sich eine Ösophagogastro- duodenoskopie in ITN zur Bergung der Zähne an. Trotz eines ausreichend langen Nüchternintervalls fand sich ein noch mit vielen festen Speiseresten gefüllter Magen. Das Auffinden der Zähne gelang erst unter Durchleuch- tung. Schlussendlich konnten aber alle drei Zähne vollständig mit einem Fangkörbchen aus dem Magen geborgen werden (Abbildung 4). Anschließend wurden die geborgenen Zähne mehr- Abb. 1: Thorax-Röntgen: Die avulsierten Zähne stellen sich im linken Oberbauch dar. Foto: Charité-Universitätsmedizin Berlin DR. MED. DENT. PAULA KORN Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin and Berlin Institute of Health, Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin paula.korn@charite.de Foto: privat ANNA VOGE Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin and Berlin Institute of Health, Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Foto: privat 26 | ZAHNMEDIZIN
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