Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 110, Nr. 13, 1.7.2020, (1294) beschwerdefrei, wobei sie ein minimales Zahnlockerungsgefühl an 11 angab. Klinisch war dies allerdings nicht zu verifizieren. Auch die Gingiva zeigte klinisch einen regelrechten Befund (Abbildung 7). DISKUSSION Die Avulsion beschreibt die vollständige Verlagerung des Zahnes aus der Alveole [Andreasen, 1972]. Sie tritt bei circa 0,5 bis 3 Prozent aller Zahntraumata auf [Glendor, 1996; Andreasen, 2007] und stellt eine prognostisch ungünstige Verletzung des Zahnes dar. Wobei die Prognose entschieden von der Dauer und der Art der extrakorporalen Lage- rung des avulsierten Zahnes abhängt [S2k-Leitlinie, 2015]. Der Vitalerhalt desmodontaler Zellen auf der Wurzeloberfläche sollte angestrebt werden und kann nach der Einteilung von Andersson et al. anhand der Ver- weildauer außerhalb des Mundes ein- geschätzt werden [Andersson et al., 2012]. Bei einer extraoralen Verweil- dauer von weniger als 15 Minuten ist die Vitalität dieser Zellen wahrschein- lich, nach 60 Minuten ist dagegen von einer Avitalität der desmodontalen Ligamentzellen auszugehen. Durch die Lagerung des avulsierten Zahnes im Zellkulturmedium kann die Vitalität der Zellen bis zu 24 Stunden aufrechterhalten werden. Weniger ge- eignet sind hingegen Milch, Koch- salzlösung oder Speichel. Insbesondere eine trockene Aufbewahrung des avul- sierten Zahnes ist nicht zu empfehlen. Im konkreten Fall betrug die extra- korporale Verweildauer null Minuten, da die Zähne umgehend verschluckt wurden. Die unfreiwillige Lagerung der Zähne erfolgte daraufhin im Magen für eine Dauer von fünf bis sechs Stunden (vom Zeitpunkt des Unfalls bis zur erfolgreichen Bergung). Dort herrscht aufgrund der Magensäure ein saures Milieu, das weder mit Zellkullkultur- medium noch anderen Ausbewährungs- lösungen zu vergleichen ist. Grundsätzlich soll eine Zahnreplanta- tion möglichst zeitnah erfolgen [S2k-Leitlinie, 2015]. Nach Entfernung des Koagels und Inspektion der Alveole kann der Zahn anschließend in die intakte Alveole replantiert wer- den. Es folgt eine flexible Schienung des Zahnes für sieben bis zehn Tage [Berthold, 2005]. Prinzipiell kann bei avulsierten Zähnen mit geschlossenem Apex eine Wurzelkanalbehandlung unmittelbar vor der Schienenentfer- nung erfolgen [S2k-Leitlinie, 2015]. Es wird zunächst eine temporäre Wurzel- kanalfüllung empfohlen. Wenn der Zahn länger als 60 Minuten extraoral trocken gelagert wurde, kann auch schon vor Replantation mit der Wur- zelkanalbehandlung begonnen wer- den, weil von devitalen desmodonta- len Zellen auszugehen ist und in der Folge Wurzelresorptionen zu erwarten sind. Im vorliegenden Fall wurde von einer initialen Wurzelkanalbehandlung ab- gesehen, weil die Patientin stets eine Sensibilität der vormals avulsierten Zähne angab. Foto: Charité-Universitätsmedizin Berlin Abb. 6: Klinische Situation vier Wochen nach Replantation von 12, 11, 21: Der Titantraumasplint befindet sich in situ. MAG. PHIL. DR. MED. HELENA POSCH Klinik für Radiologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin and Berlin Institute of Health, Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Foto: privat Abb. 5: Postoperatives OPTG: Die Zähne 12, 11, 21 zeigen sich regelrecht replantiert. Foto: Paula Korn 28 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=