Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 110, Nr. 13, 1.7.2020, (1333) die Verdachtsdiagnose einer krank- heitswertigen Zahnbehandlungsangst vor und es sollte die Hinzuziehung eines Facharztes oder eines Psychologi- schen Psychotherapeuten erfolgen. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, weil jeder zweite Patient mit krank- heitswertiger Zahnbehandlungsangst mindestens eine weitere psychische Erkrankung hat“ [DGZMK, 2019]. THERAPIE Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen Zahnbehandlungs- angst mit und ohne Krankheitswert. Für Zahnbehandlungsangst ohne Krankheitswert ist eine spezifische The- rapie nicht erforderlich. „Je nach Prä- ferenz des Patienten können optional unterstützende oder stressreduzierende Verfahren wie Musik, Entspannung, Lokalanästhesie angewandt werden“ [DGZMK, 2019]. Auch Hypnose und Akupunktur kommen nach Wunsch des Patienten in Betracht. Im Fall der Hypnose empfiehlt die Leitlinie, das Verfahren nur nach angemessener und umfassender Fortbildung anzubieten. Nicht empfohlen wird eine psycho- pharmakologische Behandlung, da diese „ein besonders ungünstiges Risiko- Nutzen-Verhältnis“ aufweist [DGZMK, 2019]. Für Zahnbehandlungsangst mit Krank- heitswert stehen als Behandlungs- optionen Psychotherapie, Pharmako- therapie und weitere Interventionen zur Verfügung. Beim Einsatz der thera- peutischen Mittel werden zwei Kon- texte der Anwendung unterschieden: zum einen die Behandlung der Zahn- behandlungsangst im Rahmen einer psychotherapeutischen oder psy- chiatrischen Therapie außerhalb der zahnärztlichen Intervention, zum an- deren die Anwendung therapeutischer Mittel zur kurzfristigen Reduktion der Angst während der zahnärztlichen Intervention (siehe Tabelle). Therapiemittel der 1. Wahl zur Be- handlung der Zahnbehandlungsangst ist die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT). „Klinische Studien belegen eine Reduktion der Zahnbehandlungsangst nach Abschluss der KVT (Evidenzgrad: A) und im Langzeitverlauf (Evidenz- grad: A) sowie eine Reduktion des Ver- meidungsverhaltens im Langzeitver- lauf (Evidenzgrad: A). Eine KVT soll jedem Patienten mit krankheitswerti- ger Zahnbehandlungsangst angeboten werden. Liegt akuter zahnärztlicher Be- handlungsbedarf vor, durch den die wesentlichen Grundvoraussetzungen für die Durchführung einer KVT nicht gegeben sind (Ausrichtung der Auf- merksamkeit auf Therapieinhalte oder Zeitrahmen zur Durchführung nicht gewährleistet), sollte die KVT im Rah- men der Akutbehandlung nicht an- gewendet werden (Negative Empfeh- lung)“ [DGZMK, 2019]. Da Zahnärzte nicht an Vertragsärzte überweisen können, kommt dem Hausarzt eine vermittelnde Rolle zwischen Zahnarzt einerseits und Facharzt oder Psycho- therapeuten zu. Ist bei einem Patienten mit Zahn- behandlungsangst eine akute zahnärzt- liche Behandlung erforderlich, „können kurzfristig medikamentöse Therapien zum Angstabbau und/oder Sedierung bis hin zur Allgemeinanästhesie einge- setzt werden. Sie helfen jedoch nicht bei der langfristigen Therapie der Zahn- behandlungsangst“ [DGZMK, 2019]. Als Therapiemittel der 1. Wahl zur Er- möglichung der akuten zahnärztlichen Behandlungsfähigkeit bei Patienten mit krankheitswertiger Zahnbehand- lungsangst empfiehlt die Leitlinie die leichte Sedierung mit Benzodiazepin: „Insbesondere im Falle eines akuten zahnärztlichen Behandlungsbedarfs größeren Umfanges und wenn die not- wendigen Voraussetzungen für die Durchführbarkeit einer Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) nicht ge- währleistet sind, sollen Benzodiazepine angewendet werden, um die unmittel- bare Versorgung der akuten zahnmedi- zinischen Erkrankung zu ermöglichen“ [DGZMK, 2019]. Alternativ dazu kann Lachgas als Therapie der zweiten Wahl eingesetzt werden. RÜCKFALLPROPHYLAXE Um den langfristigen Erfolg einer The- rapie zu sichern, empfiehlt die Leitlinie, die Patienten in einen regelmäßigen Recallzyklus (mindestens halbjährlich) einzubinden. So haben Studien gezeigt, dass die Rückfallwahrscheinlichkeit proportional mit der Länge des Zeit- raums zwischen dem Ende der Thera- pie und erneuter Exposition mit der vormals furchtauslösenden Situation zunimmt. Auf der anderen Seite ist eine erfolg- reich behandelte Zahnbehandlungs- angst keine Kontraindikation für aufwendige zahnmedizinische Versor- gungen. Die Betroffenen zeigen in der Regel ein ähnlich gutes Nachsorge- verhalten wie nicht erkrankte Patien- ten. „Diese positive Entwicklung kann bestärkt werden durch gute Kommuni- kationskompetenz und ein im Um- gang mit ängstlichen Patienten ge- schultes Behandlungsteam. Im Sinne der für ängstliche Patienten wichtigen Kontrollmöglichkeit wirken eine parti- zipative Entscheidungsfindung und soweit möglich auch Einflussnahme auf Behandlungsmaßnahmen (zum Beispiel Stoppsignal) positiv auf ein langfristig wünschenswertes Nachsorge- verhalten“ [DGZMK, 2019]. br Leitlinie [DGZMK, 2019]: Enkling N, Jöhren HP, Bürklein S, Lenk M, Margraf-Stiksrud J, Beck G, Daubländer M, Wölber J, Wannemüller A, Dünninger P, Bandelow B, Benecke A: S3-Leitlinie „Zahnbehandlungsangst beim Erwachsenen“, DGZMK, Stand: Oktober 2019 AWMF-Registernummer: 083–020 Die Leitlinie zum Download: www.dgzmk.de/web/suite-dgzmk/ zahnbehandlungsangst-beim- erwachsenen-s3 MEHR AUF ZM-ONLINE Videos zum Umgang mit Angstpatienten : Die Videos zeigen den Umgang mit Angstpatienten vom Einsatz des Angstfragebogens im Warte- zimmer über das Vorgespräch bis zum Behandlungsbeginn. | 67

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