Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13
zm 110, Nr. 13, 1.7.2020, (1334) PATIENTIN MIT ZAHNBEHANDLUNGSANGST Behandlung nach 40 Jahren Zahnarztabstinenz Michael Naumann, Ralf Barsties Eine 53-jährige Patientin erschien in unserer Praxis in Begleitung ihres Vaters! Sie war das erste Mal seit genau 40 Jahren wieder beim Zahnarzt. Zur Schilderung ihres Anliegens und ihres persönlichen Leidenswegs nahm sie erst einmal in einem Sessel des Behandlungszimmers Platz, vermutlich um eine sofortige Behandlungssituation zu vermeiden. Anfänglich redete zuerst nur ihr Vater, bis sie sich dann unter Tränen am Gespräch beteiligte ... D ie Patientin ist beruflich in einer Leitungsfunktion tätig und steht täglich in regem kom- munikativem Austausch mit vielen Menschen. Sie schilderte offen die Scham, die ihr der intraorale Zustand bereitet. Sie müsse im Alltag viel sprechen und habe Angst, dass jemand etwas bemerkt. Es gehe so einfach nicht mehr weiter! Sie wünsche nun eine Behandlung. Geld spielt nach Aussagen des besorgten Vaters dabei keine Rolle – eine Aussage, die nach unseren Erfahrungen meist auf das Gegenteil hinweist. Uns war zunächst einmal wichtig zu verstehen, worauf die Ängste zurück- zuführen sind. Gab es ein initiales traumatisches Ereignis? Was war der Patientin widerfahren? Tatsächlich konnte sie sehr frei über die Ursache ihrer Zahnbehandlungsängste berich- ten. Demzufolge gingen die Ängste auf die bislang letzte Behandlung im Alter von 13 Jahren zurück, als sie von der Assistenz gewaltsam festgehalten wurde, um dem Zahnarzt die Behand- lung zu ermöglichen. Trotz dieser Erfahrung von Ohnmacht und Ausgeliefertsein schien es der Patientin aktuell jedoch bereits zu genügen, dass der Behandler alle Behandlungsschritte gut erläutert, ankündigt, wann es unangenehm wer- den könnte, und einen ruhigen Um- gang ohne hektisches Behandlungs- umfeld pflegt. Wichtig bleibt bei solchen Patienten – wie eigentlich immer – Vertrauen aufzubauen, dieses zu festigen und das Gefühl der Ohn- macht so weit wie möglich aufzulösen. Bei der Erstuntersuchung von Menschen, die sich selbst als Angstpatienten bezeichnen, benutzen wir zur Befund- aufnahme zuerst nur Spiegel und Pus- ter und kommunizieren das im Vorfeld auch deutlich. Für die Beratung haben Ausgangssituation Abb. 1: Lächeln Abb. 2: Aufsicht OK Fotos: Michael Naumann 1 2 3 4 Abb. 3: Frontalansicht Abb. 4: Aufsicht UK PROF. DR. MICHAEL NAUMANN Prof. Dr. Michael Naumann, Dr. Saskia Kießling & Kollegen Zahnärzte an der Kleinmachnower Schleuse Wannseestr. 42, 14532 Stahnsdorf naumann@naumann-kiessling.de und Charité-Universitätsmedizin Berlin CC3 für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre Aßmannshauserstr. 4–6, 14197 Berlin Foto: privat 68 | ZAHNMEDIZIN
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