Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 110, Nr. 13, 1.7.2020, (1274) BEHANDLUNG VON KINDERN RISIKO ERSCHEINT GERING Zum Beitrag „Aerosolarm, minimalinvasiv und evidenzbasiert: Zahnmedizinische Behandlung von Kindern während der COVID-19-Pandemie“, zm 11/2020, S. 36–40. Eine epidemiologische und eine klinische Anmerkung: 1. Mecklenburg-Vorpommern, wo sich die Universität Greifswald der Autoren befindet, hatte lt. Robert Koch-Institut (RKI) am 30.5.2020 aufsummiert 760 COVID-19-Fälle (20 Tote), davon gelten geschätzt 700 wieder als genesen 1 . Das heißt, es gab an diesem Tag geschätzt 760 – 20 – 700 =40 gemeldete, aktive COVID-19-Fälle. Ich unterstelle, dass schließlich gemeldete Fälle die Hälfte der Zeitspanne der Infektiosität (10 dd lt. RKI 2 ) unbemerkt bleiben. Die nicht gemeldeten Fälle mögen in Deutschland gegenüber den RKI-Meldezahlen laut Prof. Drosten um circa den Faktor 3 bis 6 höher sein. 40 x 2 x 6 ergibt am 30.5.20 wie an den Folgetagen, mit neuen Infektiösen, aber auch neuen Genesenen, in etwa 480 Infektiöse auf 1,6 Millionen Ein- wohner oder 1:3333. (Vermutlich ist das Risiko eher geringer, weil „Genesene“ schon nach 10 dd, siehe oben, nicht mehr infektiös sind, aber vielleicht drei Wochen (21 dd) zum Genesen brauchen, dann müsste man 40 x 10/21 x 2 x 6= 229 rechnen). Wenn ein Zahnarzt dann 20 Patienten pro Tag behandelt, hat er ein Tagesrisiko von 1:167, auf einen Infektiösen zu treffen (symptomatisch wie nicht symptoma- tisch!) – pro Arbeitsjahr (220 dd) begegnet er statistisch 1,3 Infektiösen (Begleitpersonen nicht berücksichtigt). Zum dadurch entstehenden Infektionsrisiko für den Zahnarzt bei den aktuell erhöhten Schutzmaßnahmen kann ich nichts Quantitatives vermuten – das Risiko scheint „gering“. Rechtfertigt die skizzierte Risikogröße eine Behandlung 2. Wahl nicht COVID-19-symptomatischer Kinder, wenn etwa im Artikel die Extraktion zur Aerosolvermeidung einer Pulpotomie vorgezogen wird? Wie sind die Autoren zu einer eigenen Risikoeinschätzung gekommen, die aufgrund der regional sehr unterschiedlichen Prävalenz notwendig sein wird? Haben sie berücksichtigt, dass abweichend von obigen Zahlen die Altersgruppe der 0- bis 14-Jährigen nur circa 1/5 so häufig beim RKI gemeldet wird wie andere Altersgruppen 1 ? Wo liegt für die Autoren die Risikoschwelle für COVID-19-spezifische Behandlungsmaßnahmen? Wie berechnen sie diese, ab welchem Risiko wollen sie zum Status quo ante zurückkehren? Das RKI hat vor Kurzem angefangen, zu gemeldeten COVID-19-Infektionen auch den Beruf der Betroffenen zu erfassen. Leider ist mir eine zahnarztspezifische Auswertung bisher nicht bekannt. 2. Die nach circa 100 Jahren 3 wiederentdeckte Kariestherapie mit Silberverbindungen hat sicher ihre Indikationen. Auch ich setze sie ein, wobei allerdings die fast nicht existente und kürzungsgefährdete Honorierung im Kassenbereich (nur „üz“) meine Anwendung stark und auf ein suboptimales Maß beschränkt. Zumal die Klientel, die diese Therapie bräuchte, ganz überwiegend sozial schwach und/oder im Deutschen limitiert ist, so dass es sinnlos erscheint, ein Gespräch zu einer privaten Honorarvereinbarung zu führen. Angesichts dessen scheint mir der Hinweis nützlich, dass eine klassische, 25-prozentige Silbernitratlösung (zum Beispiel 10 g AgNO 3 , 30 g H 2 O 2 , Tropfflasche), die jede Apotheke für vergleichsweise kleines Geld anmischt, gefolgt von Fluoridlack, nachgewiesenermaßen ebenso wirksam ist wie Silberdiaminfluorid 4 . Für eine Behandlung reicht ein Tropfen im Einwegpolierpastenring (= Fingernapf), aufgenommen mit dem Microbrush, wobei 1 ml etwa 15–20 Tropfen ergibt 5 . Michael Logies, Zahnarzt, Wallenhorst 1 https://experience.arcgis.com/experience/ 478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/page/page_0/ Tagesgrafik im Anhang. 2 https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/fact-sheet/details/news/ verlauf-von-covid-19-und-kritische-abschnitte-der-infektion/ 3 Duffin S. Back to the future: the medical management of caries introduction. J Calif Dent Assoc 2012;40(11):852–8. 4 Gao SS, Duangthip D, Wong MCM, Lo ECM, Chu CH. Randomized Trial of Silver Nitrate with Sodium Fluoride for Caries Arrest. JDR Clinical & Translational Research 2019;4(2):126–34. Available at: https://doi.org/10.1177/2380084418818482. Accessed March 7, 2020. 5 https://de.wikipedia.org/wiki/Tropfen Foto: Federico Rostagno – stock.adobe.com Leserforum

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