Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14

POSITIONSPAPIER DER BUNDESZAHNÄRZTEKAMMER Intraoralscans – keine Videoaufnahmen für jedermann Einige Internetanbieter von Alignern versuchen, ihre Marktdurchdringung mit Vertriebspartnern zu steigern, die nicht über die notwendige zahnmedizinische Expertise für die Durchführung diagnostischer Maßnahmen wie Intraoralscans verfügen – etwa Apotheken. Das hat den Widerspruch von Zahnärzten und Kieferorthopäden herausgefordert und so beschäftigt die Frage, wer Intraoralscans für die zahnmedizinischen Behandlung ausführen darf, inzwischen auch die Rechtsprechung. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hat dazu ein Positionspapier veröffentlicht. W ohl kaum ein Besucher einer dentalen Fachausstellung in den vergangenen Jahren wird sie übersehen haben: Auf großen Bild- schirmen bauen sich scheinbar von Zauberhand gesteuert unablässig neue Gebisse auf: in Echtzeit auf den Bild- schirm übertragene Bilder eines Intra- oralscanners. Wer den Messerundgang für einen digitalen Blick auf das Innere seiner Mundhöhle unterbrechen will, darf sich gern von der freundlichen Mitarbeiterin des Ausstellers scannen lassen. Digitale Technik kann so einfach sein und nichts deutet in der geradezu spie- lerischen Präsentation der Scanner da- rauf hin, dass zur korrekten Anwendung der Technik fundierte zahnmedizi- nische Kenntnisse benötigt werden. Von dieser scheinbaren Leichtigkeit des digitalen Fortschritts haben sich offensichtlich auch einige Richter be- eindrucken lassen, die über die Recht- mäßigkeit der Erstellung von Intraoral- scans durch Nicht-Zahnärzte befinden mussten. So hatte das Landgericht Düsseldorf über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eines Kieferorthopäden gegen ein Start-up- Unternehmen zu verhandeln. Das Start-up vertrieb Aligner übers Internet – die Abdrucknahme sollte digital über Intraoralscans in Apotheken erfolgen. DIE RICHTER HALTEN SCANS FÜR VIDEOAUFNAHMEN Im Ergebnis kam das Gericht – nach der im Eilverfahren nur erfolgenden summarischen Prüfung – zu der Auf- fassung, Intraoralscans seien eine den Videoaufnahmen vergleichbare Leis- tung, die prinzipiell jedermann durch- führen könne: „Bei Intraoralscans in der verfahrensgegenständlichen Form durch Fertigung von Videoaufnahmen handelt es sich nicht um eine Zahn- ärzten nach dem ZHG vorbehaltene Leistung; diese erreichen nicht einmal die Qualität der delegationsfähigen Leistungen nach § 1 Abs. 5 ZHG wie insbesondere Herstellung von Röntgen- aufnahmen oder Situationsabdrücken. Weder liegt ihnen eine der Strahlungs- exposition bei Röntgenaufnahmen vergleichbare Gesundheitsgefahr inne noch findet eine der Herstellung von Situationsabdrücken vergleichbare Ar- beit im Mundraum des Patienten statt. Vielmehr sind sie technischen Mes- sungen im Vorfeld vergleichbar, die Apothekern nicht untersagt sind“ (LG Düsseldorf, Urteil vom 2. Oktober 2019, Az.: 12 O 184/19). Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte diese Auffassung in der Folgeinstanz mit einem aktuellen Urteil vom 19. Mai 2020 (OLG Düssel- dorf, Az.: I-20 U 127_19) . Die BZÄK stellte demgegenüber in einem Positionspapier klar, „dass es sich bei der digitalen Abformung des Mund- innenraums von Patienten per Intra- oralscan um Ausübung der Zahnheil- kunde gemäß Paragraf 1 Absatz 3 Zahnheilkundegesetz handelt“. „Es ist die Aufgabe der (Landes-)Zahnärzte- kammern, die Einhaltung der Berufs- pflichten zu überwachen und dabei auch entsprechend dem Zahnheil- kundegesetz zu definieren, welche Maßnahmen insbesondere auch zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten gehören“, erklärte BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterreich gegenüber den zm. Diese Klarstellung sei vor dem Hinter- grund der aktuellen Rechtsprechung notwendig gewesen. Die Gerichte hät- ten den komplexen Workflow und die damit verbundene Verantwortung, die sich hinter der scheinbar unkomplizier- ten Anwendung eines Intraoralscanners verbirgt, nicht berücksichtigt. Da es bei dieser Technik noch keinen etablierten Best-Practice-Standard und auch keine Leitlinie zur Anwendung des Intraoral- scanners gebe, habe eine grundlegende Standortbestimmung seitens der Zahn- medizin auch für die Rechtsprechung gefehlt, so Oesterreich. Tatsache ist, dass die Ergebnisse eines Intraoralscans Grundlage für eine Diagnostik und eine gegebenenfalls erforderliche Therapie sind. Dabei muss der Zahnarzt auch die Qualität der Diagnostik unter Berücksichtigung der klinischen Situation bewerten. Ver- bunden damit ist dann auch immer die Frage der Haftung für mögliche 34 | POLITIK

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