Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 110, Nr. 14, 16.7.2020, (1405) Zuckeraustauschstoffe sind süß schme- ckende Verbindungen, meist Polyole (sogenannte Zuckeralkohole), die einen geringeren Einfluss auf den Blutzucker- spiegel haben. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind Sorbitol, Mannitol, Lactit, Isomalt, Xylitol und Erythritol. Zuckeraustauschstoffe dürfen dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zufolge in Lebensmitteln unbe- grenzt eingesetzt werden. Es gibt folg- lich laut EU keinen Grenzwert für ein verträgliches Maximum der Tages- zufuhr („acceptable daily intake“). Zu beachten ist, dass Zuckeraustauschstoffe Blähungen, Durchfall und Bauch- schmerzen verursachen können. Von den Zuckeralkoholen gilt Erythritol als am verträglichsten. ERYTHRITOL Erythritol/Erythrit (Chemical Abstracts Service (CAS)-Nr.: 149–32–6) ist ein weißes kristallines Pulver und hat die chemische Formel C 4 H 10 O 4 . Es kommt in geringen Mengen in der Natur vor, zum Beispiel in Honig, Weintrauben, Melonen und Pilzen. Hergestellt wird Erythritol heute durch die mikrobiolo- gische Umwandlung (Fermentation) natürlicher Zucker. Es ist industriell schwieriger herzustellen als andere Zuckeraustauschstoffe – dementspre- chend sind die Produktionskosten wesentlich höher. Die wichtigsten Eigenschaften von Erythritol sind: \ Dichte: 1,45 g/ml \ Löslichkeit: 100 g/l \ pH-Wert: neutral \ 60 bis 70 Prozent der Süßkraft von Zucker \ stabil in saurer und in basischer Umgebung \ hitzestabil \ besitzt nahezu keine Kalorien, nur circa 0,2 kcal/g, dies entspricht 5 Prozent des kalorischen Werts von Zucker Orale Bakterien können Erythritol nicht metabolisieren, das heißt, es ist nicht kariogen, sondern zahnfreundlich [De Cock et al., 2016]. Der glykämische Faktor ist 0. Erythritol ist folglich für Diabetiker geeignet, da es den Glukose- Wert im Blutplasma und den Insulin- spiegel nicht anhebt. Im Gegensatz zu anderen Polyolen wird Erythritol fast vollkommen (> 90 Prozent) im Dünn- darm aufgenommen, nicht metaboli- siert und unverändert über den Urin wieder ausgeschieden. Kleine Mengen können im Stuhl gefunden werden. Deshalb treten Nebenwirkungen wie Blähungen und Durchfall bei Erythritol seltener und in geringerer Intensität auf als bei den anderen Zuckeralkoholen. Erythritol ist ein Antioxidans und wirkt als Radikalfänger. Erythritol ist sicher. Es ist in mehr als 60 Ländern uneingeschränkt zuge- lassen (Europa, USA, Japan, Kanada, Australien, Neuseeland, Russland und vielen Ländern im asiatischen Raum). ERYTHRITOL IN DER PRÄVENTIVEN ZAHNMEDIZIN Über viele Jahre galten Sorbitol und vor allem Xylitol als Goldstandard der Zuckeralkohole für die präventive Anwendung in der Zahnheilkunde [Mäkinen, 1972; Mäkinen et al., 2008; Mäkinen et al., 1995 a; Mäkinen et al., 1995 b; Mäkinen et al., 1996 a; Mäkinen et al., 1996 b]. Die bereits be- schriebenen Vorteile von Erythritol gegenüber anderen Zuckeralkoholen waren Auslöser für viele wissenschaftliche Arbeiten zum Einsatz von Erythritol in der präventiven Zahnmedizin. Die neueste Literatur zeigt das große Potenzial von Erythritol [Regnat et al., 2018; Falony et al., 2016; Janus et al., 2017; Hashino et al., 2013; Hägi et al.,2013; De Cock et al., 2016]. Erythritol und Biofilm Der Einfluss von Erythritol auf das Wachstum von Biofilm und Einzel- bakterien, vor allem von Streptokokkus mutans im Speichel und im Biofilm, ist bekannt und wurde in der Literatur vielfach beschrieben [Regnat et al., 2018; Falony et al., 2016; Janus et al., 2017; Hashino et al., 2013; De Cock et al., 2016; Mäkinen et al., 2001; Mäkinen et al., 2005; Söderling et al., 2010; Park et al., 2014; Honkala et al., 2014]. Die Auswertung der Literatur beim Vergleich von Xylitol, Erythritol und Sorbitol auf das Biofilmwachstum, den Bakterienlevel im Speichel und im Biofilm lässt sich wie folgt zusammen- fassen: \ Alle drei Polyole zeigen eine signifikante Reduktion des Biofilm- gewichts (Biofilmdicke) wie auch eine Reduktion der S. mutans in der Plaque und im Speichel. \ Die besten Ergebnisse wurden in der Erythritol-Gruppe erreicht. \ Diese Ergebnisse werden auf die geringste Löslichkeit (längere Retention) und das geringste Molekulargewicht von Erythritol in der Gruppe der Polyole und der damit verbundenen leichteren Durchdringung der Zellmembran zurückgeführt [Munro et al., 1998]. Auch scheint Xylitol eher das Biofilmwachstum unspezifisch zu hemmen, wohingegen das Wachs- tum von S. mutans durch Erythritol spezifisch gehemmt wird. \ Erythritol verringert auch die Adhäsion der Plaque für einige Polysaccharid-bildende Strepto- kokken (S. mutans, S. sanguinis, S. salivarius, S. sobrinus) [Regnat et al., 2018; Falony et al., 2016; Hashino et al., 2013; Mäkinen et al., 2002]. Hashino et al. versuchten mit ihrer Arbeit von 2013 [Hashino et al., 2013], eine große Lücke im Wissen um Zuckeralkohole und deren Einfluss auf orale Biofilme zu schließen. Aus- gehend davon, dass Streptokokkus gordonii ein wichtiger Frühbesiedler von Biofilmen (verantwortlich für die DR. NADINE STRAFELA- BASTENDORF Praxis Dr. Strafela-Bastendorf Gairenstr. 6, 73054 Eislingen Foto: privat DR. KLAUS-DIETER BASTENDORF Praxis Dr. Strafela-Bastendorf Gairenstr. 6, 73054 Eislingen Foto: Fotografie Schielberg | 43
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