Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 110, Nr. 14, 16.7.2020, (1408) tigen die oralen Biofilme. Naheliegend ist, dass sie auch Auswirkungen auf die Entwicklung von Gingivitis und Paro- dontitis haben. Der Frage nach dem Einfluss von Erythritol auf die Mikro- biologie des Biofilms bei Gingivitis ist die Forscher-Gruppe Janus et al. nach- gegangen [Janus et al., 2017]. Das Ziel der Studie war es, die Wirkung von Erythritol auf die Gingivitisentstehung und -progression zu eruieren. Die Er- gebnisse zeigen, dass Biofilme in An- wesenheit von Erythritol in Richtung einer weniger pathogenen Zusammen- setzung reifen und das Biofilmwachs- tum insgesamt reduziert wird. Daher wird in der Arbeit der Schluss gezogen, dass Erythritol zu einem gesunden oralen Ökosystem beitragen kann. Dies ist wichtig, da eine unbehandelte Gin- givitis zu einer Parodontitis führen kann. Wie oben gezeigt, kann Erythritol die Entwicklung von P. gingivalis, einer der wichtigsten Keime bei der Entstehung und Progression der Parodontitis, auf verschiedenen biochemischen Wegen hemmen [Hashino et al., 2013]. Erythritol in der professionellen Prophylaxe Neben dem Einsatz als Zuckeraus- tauschstoff in Nahrungsmitteln und zur häuslichen Kariesprävention hat Erythritol auch in der professionellen Prophylaxe Anwendung gefunden. Im Jahr 2011 führte die Firma EMS ein Airpolishing-Pulver auf Erythritol-Basis ein. Neben Pulvern auf Glycin- und Trehalose-Basis gehört Erythritol zu den niedrig abrasiven Airpolishing- Pulvern, die sowohl supra- als auch subgingival angewendet werden kön- nen. Die Literatur zur Airpolishing- Technologie mit gering abrasiven Pulvern beim Biofilmmanagement gegenüber Hand- und Ultraschall- instrumenten zeigt die Vorteile dieser neuen Technologie eindrücklich [Hägi et al., 2013; Steinmann et al., 2003; Tunkel et al., 2003; Hetzel et al., 2007; Arushanov et al., 2012; Décaillet et al., 2010; Hofmänner et al., 2015]. So konnte gezeigt werden, dass Airpo- lishing mit niedrig abrasiven Pulvern mehr Bakterien reduziert als dies mit Hand- und Ultraschallinstrumenten möglich ist [Steinmann et al., 2003; Tunkel et al., 2003; Hetzel et al., 2007; Arushanov et al., 2012; Décaillet et al., 2010; Hofmänner et al., 2015; Wennström et al., 2011; Trtic et al., 2016; Hägi et al., 2015; Bühler et al., 2015]. Auch supragingivale Beläge und Verfärbungen können besser und schneller entfernt werden als durch klassische Politur mit rotierenden Instrumenten, Polierbürsten, Gummi- kelchen und Polierpasten [Bühler et al., 2015; Camboni et al., 2016; Haas et al., 2019; Bastendorf-Strafela et al., 2016]. Neben der Reinigungsleistung (Effekti- vität) steht heute auch die Substanz- schonung im Vordergrund. Dabei führt Airpolishing mit Erythritol nicht zu Irritationen der Gingiva [Petersilka et al., 2018]. Die Arbeiten von Barnes und die von ihr auf internationalen Vorträgen gezeigten Bilder [Barnes et al., 2014; Barnes, 2016] zeigen ein- drücklich, dass nur gering-abrasive Pulver auf Schmelzoberflächen und Kompositfüllungen ohne Veränderung der Oberflächenstruktur angewendet werden können (Abbildung 2). Auf Glasionomeroberflächen führte nur die Anwendung von Erythritol-Pulver zu keinen Oberflächenveränderungen. Auch auf Milchzahnschmelz kam es beim Einsatz von Erythritol-basiertem Pulver ebenfalls zu fast keinen Ober- flächenveränderungen [Reimann et al, 2015]. Subgingivales und supragingiva- les Biofilmmanagement zeigen nicht nur auf Schmelz und Dentin, sondern auch auf Wurzelzement und Implanta- ten den geringsten Substanzverlust bei gleichzeitig niedrigsten Oberflächen- rauigkeiten [Hofmänner et al., 2015; Hägi et al., 2015; Bühler et al., 2015; Camboni et al., 2016; Haas et al., 2019; Bozbay et al., 2016; Hägi et al., 2015]. Die Arbeit von Petersilka et al. zeigte im Vergleich zu Handinstrumenten und Ultraschallscalern die geringsten Ver- änderungen an der Gingiva [Petersilka et al., 2018]. Vergleicht man Glycin-Pulver mit Ery- thritol-Pulver, so liegen die Vorteile beim Erythritol. Es ist ein leichtes Pul- ver (Korngröße circa 14 µm, geringe Abrasivität), mit ausreichender Härte für eine gute Reinigungsleistung supra- und subgingival, das sicher in der Anwendung auf Zahnhartsubstanzen und an Schleimhäuten ist und neben den mechanischen Effekten sowohl den Biofilm wie auch einzelne Keime (S. mutans, S. gordonii) auf bio- chemischemWeg hemmt. [Janus et al., 2017; Drago et al., 2014]. FAZIT Der Zuckeraustauschstoff Erythritol bietet zahlreiche Vorteile für die Allge- mein- und die Mundgesundheit. Als Alternative zum Zucker ermöglicht Erythritol eine Reduzierung der Kalo- rienaufnahme, was wichtig ist, um die Adipositas und deren Folgeerkran- kungen zu kontrollieren. Für die häus- liche Kariesprophylaxe wird Erythritol unter anderem in Lutschtabletten, Kaugummis, Zahnpasten, Mundspül- lösungen angewendet – hier bietet das süße Pulver gleich zwei Vorteile: Es ist nicht kariogen und hemmt darüber hinaus die Entwicklung kariogener und parodontalpathologischer Keime in den oralen Biofilmen. Bei routine- mäßiger häuslicher, präventiver An- wendung von Erythritol kann die Karieslast und damit auch der entspre- chende zahnärztliche Behandlungs- bedarf verringert werden. Die Literatur zeigt, dass Erythritol den anderen Zuckeralkoholen überlegen ist. Auch als unterstützende Maßnahme zur Eindämmung der Erkrankungs- progression sowohl bei Gingivitis wie auch bei Parodontitis zeigt Erythritol bessere Ergebnisse als andere Zucker- alkohole. Das Potenzial von Erythritol in der häuslichen Prophylaxe – bei- spielsweise in Zahnpasten, Kaugum- mis, Schokolade oder Bonbons – dürfte bei Weitem noch nicht ausgeschöpft sein. Schlussendlich ermöglicht Erythritol beim Einsatz in der Airpolishing- Technologie einen breiten klinischen Anwendungsbereich und bietet Vor- teile gegenüber allen anderen Pulvern – es gibt gute Gründe dafür, es dort bereits heute als Goldstandard zu betrachten. \ ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 46 | ZAHNMEDIZIN
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