Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14

zm 110, Nr. 14, 16.7.2020, (1412) und Lehrer eingeladen, die systematisch die biologische Grundlage der Funktion erforschten. Das hat sich auch in der Praxis durchgesetzt. Eine andere Ent- wicklung wurde durch unseren Master- studiengang „Integrated Dentistry“ an- gestoßen. Zahnärzte beschäftigen sich selbst mit den gesellschaftlichen Herausforderungen und Wirkungen ihrer Praxistätigkeit und ihrer Profession als Ganzes. Daraus sind viele Projekte für ein besseres Verständnis der gesell- schaftlichen Wirkung unseres Han- delns entstanden. Ein Beispiel: Eine Masterarbeit analysiert Gerichtsurteile und beschreibt wann und wie der Richter dem zahnärztlichen Sachverständigen in der Urteilsbegründung gefolgt ist. Diese Masterarbeit ist für jeden Sach- verständigen hochinteressant. Sie wurde auch im Rahmen der Gutachterfortbil- dung vorgestellt. Die Akademie ist nicht nur ein Ort der Fortbildung: Welche Rolle spielt die Wissenschaft, und welche Schwerpunkte gibt es? Seit 40 Jahren ist unsere Poliklinik ein Ort für klinische Studien. Der erste große Schwerpunkt war ein Thema, das Michael Heners aus Kiel mit- brachte: Die klinische Bewährung von Konuskonstruktionen. Heute sind Im- plantologie und Endodontologie unsere wichtigsten Schwerpunktthemen. PD Dr. Michael Korsch untersucht bei- spielsweise aktuell den Augmentations- erfolg bei Einsatz von autologem Dentin. Ein anderer Schwerpunkt ist der Erfolg der All-on-4 Technik im Hin- blick auf die Gestalt der prothetischen Versorgung. Dr. Andreas Bartols hat sehr umfassende Reihenuntersuchun- gen über den Effekt unterschiedlicher endodontischer Techniken auf das Behandlungsergebnis veröffentlicht und die Akademie in internationalen Forschungsprojekten wie Advocate vertreten. Dieses EU-Projekt beschäftigt sich mit Konzepten der präventions- orientierten zahnärztlichen Versor- gung. Die Akademie versteht sich als Lebenswelt, die die berufliche Ent- wicklung vielzähliger Absolventen entscheidend geprägt hat. Wovon konnten diese Kolleginnen und Kollegen am meisten in ihrer Praxis profitieren? Da lässt sich kaum eine Antwort finden, die für alle Kolleginnen und Kollegen gültig wäre. Wer einen Eindruck davon gewinnen möchte, welche Spuren die Akademie in der Biografie einer Kollegin oder eines Kollegen hinterlassen kann, darf gern das Gästebuch auf unserer Jubiläums- Website aufschlagen. Ein Beispiel möchte ich zitieren. Herr Kollege Dr. Razmilic schreibt: „Ohne die Professoren Heners, Dick, Marotzki, Robra ... und ohne die vielen Kollegen mit denen ich die Fortbildungen und Veranstal- tungen verbrachte, wäre meine Denk- weise und meine Sichtweise nicht nur beruflich sondern auch privat eine ganz andere. Kollegialität, Praxisnähe, Zusammenarbeit und auch der Blick über den Tellerrand sind für mich die wegweisenden Punkte, die ich in der Akademie erlernt habe.“ Die Fragen stellte Gabriele Prchala. DAS LETZTE DENTISTISCHE INSTITUT SCHLIEßT In den zm vom 15. Oktober 1960 findet sich der Festvortrag von Dr. Erich Müller, Präsident des Bundes Deutscher Zahnärzte, vom 27. September 1960 anlässlich der Schließung des letzten Dentistischen Lehrinstituts in München. Das Zahnheilkundegesetz beseitigte den jahr- zehntelang bestehenden Dualismus. Die Vollendung des Einheitsstands war jedoch erst 1960 erreicht. Müller stellt fest, „dass die Lehrinstitute einen ganz erheblichen – wenn nicht den wesentlichsten – Teil dazu beigetragen haben, den Dualismus zu überwinden, weil die Steigerung der Anforderungen an die Hörer sowohl während der Ausbildung als auch in der Prüfung schließlich dazu führte, dass die Absolventen der Lehrinstitute in den gleichen Fächern und in gleichen Umfang ihr Können und Wissen nachweisen mussten wie die Studierenden der Zahnheilkunde auf den deutschen Universitäten. Ja, noch wichtiger scheint die Fest- stellung zu sein, dass die Prüfungsordnung gemäß § 10 ZHG praktisch der Prüfungsordnung für Zahnärzte vom 26. Januar 1955 entsprach, die die Studien- und Prüfungsordnung für Zahnärzte von 1909 ablöste.“ An anderer Stelle unterstreicht Müller, dass die Dentisten die Qualifikation des deutschen Zahnarztes bewiesen haben. Er macht die erfolgreiche Überwindung des Dualismus an zwei erfüllten Voraussetzungen fest. Das seiner Festansprache formulierte er das so: „Einer späteren Generation wird es überlassen bleiben müssen, die Entwicklung von 1945–1952 einmal zu überprüfen und zu würdigen und dabei aber auch die Konsequenzen nicht zu übersehen, die sich […] daraus ergaben. Möglich war diese Entwicklung nur deshalb, weil gewisse Voraussetzungen erfüllt waren, die bei den früheren Lösungsversuchen fehlten. 1. Der Stand der Dentisten hatte sich im Laufe der letzten Jahrzehnte durch Intensivierung der Aus-und Fortbildung so stark fortentwickelt, dass der Durchschnitts-Dentist im Allgemeinen den gleichen Arbeits- bereich wahrnahm wie der Durchschnitts-Zahnarzt. 2. Die Lehre von den Herderkrankungen erbrachte in den letzten drei Jahrzehnten den Beweis dafür, dass es nicht möglich oder nicht zu verantworten sei, eine Zahnheilkunde auszuüben, die nur den Zahn in den Mittelpunkt des ganzen Geschehens rückte, dabei die Zusammenhänge mit den übrigen Organen des Körpers aber negierte oder vernachlässigte. So war das ZHG schließlich nicht nur ein erstrebenswertes Ziel, sondern mehr noch die reife Frucht einer jahrzehntelangen Entwicklung.“ 50 | GESELLSCHAFT

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