Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zahlreich – hierzu zählen offene Wunden wie Ulcus cruris [Anegg et al., 1990], Hauterkrankungen wie Psoriasis, das seborrhoische Ekzem oder Dekubitusläsionen [Bernhardt et al., 2019] sowie diskoider Lupus erythematodes [Bhari et al., 2016]. Besonders häufig werden humane Myiasen in tropischen Klimazonen beobachtet [Beck et Pantchev, 2010]. Die vermehrte Exposition durch die Ausübung eines landwirtschaftlichen Berufs kann ein erhöhtes Risiko für die Erkrankung mit sich bringen [Carvalho et al., 2008]. Als Risiko- faktoren im Fall des intraoralen Befalls werden eine schlechte Mundhygiene [Darshiyani et al., 2012], Halitosis und ein insuffizienter Lippenschluss [Filho et al., 2018] sowie Sondenkost über mehrere Jahre [Bhansali et al., 2018] genannt. Schmerz, Blutung und Infektionen sind mögliche Symptome der Myiasis [Wollina, 2015]. „Pulsieren“ und Bewegungsempfinden sind möglich [Carvalho et al., 2008]. Auch Juckreiz wird beschrieben [Kleine et al., 2014]. Die Diagnosestellung einer Myiasis er- folgt klinisch durch den Behandler und zuvor möglicherweise durch die Angehörigen [Filho et al., 2018], wie im hier vorliegenden Fall. Als diagnos- tische Ergänzung zur Erfassung des Ausmaßes und der genauen Lokalisa- tion der Besiedlung wird die Magnet- resonanztomografie [Yeung et al. 2010] oder die Sonografie [Richter et al. 2008] empfohlen. Die Behandlung der extra- und intra- oralen Myiasis ist nicht standardisiert [Wollina et al., 2010; Al-Maweri et al., 2015]. Sie sollte die vollständige, mechanische Entfernung der Maden, die Desinfektion der Wunde sowie das Anlegen eines Wundverbands [Wollina et al., 2015] einschließen. Die Applikation von Terpentin-Öl, anti- helmintische, antibiotische und anal- getische Therapien stellen ergänzende Optionen dar. Die Verlaufskontrolle kann – wie im vorliegenden Fall – mehrere Tage um- fassen [Darshiyani et al., 2012]. Ein Wunddebridement sowie eine Nekro- sektomie und Spülungen mit Chlor- hexidingluconat 0,2 Prozent können im Fall einer intraoralen Manifestation durchgeführt werden [Biradar et al., 2015]. Die Resektion des Hauttumors, auch wenn im vorliegenden Fall nicht erfolgt, und somit die Behandlung der ursächlichen Grunderkrankung ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Therapie [Gupta et al., 2009]. Die Prävention hat ebenso einen hohen Stellenwert. Patienten mit chronischen Hautläsionen sollten nicht zuletzt im Urlaub dazu er- mutigt werden, die betroffenen Stellen abzudecken und so vor Sonnen- einstrahlung und Insektenbefall zu schützen [Kleine et al., 2014]. Bei der ambulanten und stationären Pflege von Patienten sollten Hygienericht- linien etabliert werden, inklusive Maß- nahmen zum Schutz vor Insekten [Werminghaus et al., 2008]. Die Fliegen und ihre Larven weisen ein breites Spektrum an Bakterien auf [Sesterhenn et al., 2009; Bernhardt et al., 2019]. Bakterielle Sekundärinfek- tionen machen – wie im vorliegenden Fall – wiederum eine zusätzliche The- rapie erforderlich [Kamal et al., 2012; Bhari et al., 2016]. \ Foto: Johanna Wrede Abb. 4: Insgesamt wurden 13 vitale Maden aus dem Ulcus frontal rechts geborgen. PD DR. DR. HENNING HANKEN Chefarzt Asklepios Klinik Nord-Heidberg, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Tangstedter Landstr. 400, 22417 Hamburg Foto: privat FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Die kurative Behandlung großer Hauttumoren sollte auch bei älteren, multimorbiden Patienten angestrebt werden. Komplikationen wie der Myiasis kann damit vorgebeugt werden. Eine Vorstellung bei medizinischem Fachpersonal sollte in jedem Fall erfolgen. \ Bei nicht behandelbaren Hauttumoren oder chronischen Wunden sind regelmäßige Verbands- wechsel und ärztliche Kontrollen erforderlich. \ Im Fall einer Myiasis ist eine stationäre Behandlung oft unumgänglich, diese sollte primär die Wundreinigung, eine analgetische und gegebenenfalls antibiotische Therapie sowie sekundär die Beseitigung der Ursache umfassen. \ Eine Bestimmung der Spezies ist unerlässlich. Sollte eine zeitnahe Einsendung vitaler Tiere nicht möglich sein, werden die Maden mit kochendem Wasser übergossen und anschließend in 70- bis 96-prozentigem Ethanol asserviert [Amendt et al., 2013]. \ Eine geeignete Adresse für die Bestimmung der Spezies ist die Forensische Entomologie am Institut für Rechtsmedizin des Universitäts- klinikums in Frankfurt am Main [ www.forensische- entomologie.info ]. | 59
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