Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm 110, Nr. 15-16, 16.8.2020, (1469) DER FACHARTIKEL IM NETZ Prof. Dr. rer. nat. Gerd Antes Artikel zu Raubzeitschriften erschien in der Reihe EbM-Splitter der Deutschen Zahnärztlichen Zeitschrift (DZZ). Alle Beiträge dieser von Antes gemeinsam mit Prof. Jens Türp (Zürich) eingeführten Reihe sind kostenfrei als PDF auf der Webseite der DZZ verfügbar. Der QR-Code führt direkt zum Artikel „Greetings for the day!“ Unsolicited e-mails from questionable journals. erkannt wird. Alle negativen Effekte, mit denen der wissen- schaftliche Publikationsprozess durch Raubzeitschriften überzogen wird, trifft die Zahnmedizin gleichermaßen. Sie haben mehr als einen Monat lang die E-Mail-Ein- gänge in Ihrem Universitätspostfach dokumentiert. Wie war das Ergebnis? Das Bild ist absolut typisch und heute den meisten wissen- schaftlich tätigen (Zahn-)Ärzten bekannt. Pro Tag trafen ungefähr drei solcher Einladungs-E-Mails ein. Von einigen Zeitschriften kamen die Anfragen nur einmal, andere hak- ten nach. Nur knapp 30 Prozent der Anfragen kamen von Zeitschriften mit zahnmedizinischem Bezug, was zeigt, wie oberflächlich und unsystematisch die Ziele dieser Anfragen identifiziert werden. Gab es unter den E-Mails auch seriöse Verlagsangebote? Das hängt entscheidend davon ab, wie ich „seriös“ definie- re. Ich neige zu der harten Sichtweise, dass solche Lockan- gebote per definitionem unseriös sind und insofern keine seriösen Angebote dabei sein können. Die zunehmende Grauzone macht es jedoch immer schwieriger, hier klare Grenzen zu ziehen. Insofern sind sicherlich Angebote dabei, die von Wissenschaftlern mit großzügiger Sicht auf die Qualität des Publikationsprozesses als seriös eingestuft werden können. Etwas, das scheinbar regelmäßig passiert. Das Problem ist tatsächlich groß. Der Wissenschaftsbetrieb kann auf zwei Wegen massiv getroffen werden. Einmal, in- dem Wissenschaftler sich verleiten lassen, in solchen Zeit- schriften zu publizieren. Zum anderen können Artikel in diesen Zeitschriften missbraucht werden, um speziell in der Medizin Botschaften in die Medien oder auch direkt an Pa- tienten zu bringen, die gesundheits- oder sogar lebensge- fährdend sind. So hat sich u. a. in einer großen Aufde- ckungsaktion gezeigt, dass eine Heilpraktikerin sich in Artikeln in solchen Zeitschriften als Entwicklerin von Krebs- arzneimitteln darstellte und ihre eigenen Produkte über alle Maßen positiv darstellte. Das Problem dabei ist, dass die Webseiten von Raubzeitschriften großenteils optisch beein- druckend professionell gestaltet sind. Damit wird es selbst für Fachleute schwierig und zeitaufwendig, diese Zeitschrif- ten sicher als unseriös zu identifizieren. Für Patienten und Laien ist das fast unmöglich. Dort falsch informiert zu werden, ist also nur sehr schwer zu vermeiden. Aber seriöse Wissenschaftler fallen auf solche Betrüger doch nicht rein, oder? Ob seriöse Wissenschaftler darauf hereinfallen? Offensicht- lich ja, wie eine große Untersuchung des Medienverbunds von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung im Juli 2018 zeigte. Darin wurde 5000 deutsche Wissenschaftler identi- fiziert, die in Raubzeitschriften publiziert hatten. Unter ihnen sehr hochrangige Vertreter von Universitäten oder Großforschungseinrichtungen. Ihnen blieb nur die pein- liche Entscheidung, sich entweder als Getäuschten darzu- stellen oder aber nach Entschuldigungen zu suchen, warum man dort gegen besseres Wissen publiziert hatte. Für die unseriösen Verlage ist das sicher ein gutes Geschäft. Natürlich, weil sie den für hochwertige Publikationen be- trächtlichen Aufwand praktisch auf Null zurückfahren und dadurch mit minimalen personellen Aufwand kaum Ausga- ben für die Produktion haben. Es wäre interessant, für solche Zeitschriften eine ökonomische Analyse und den ausgewiesenen Profit zu sehen. Gibt es belastbare Erfahrungsberichte von geprellten Wissenschaftlern? Ja, in Druckprodukten und in Filmen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ist das dokumentiert. Wobei gar nicht oft genug betont werden kann, dass viele der Geprellten die- ses Prädikat nicht verdienen, da bei diesen Zeitschriften so viele Dinge offensichtlich nicht stimmen, dass man sie eigentlich nicht übersehen kann. Die Fragen stellte Marius Gießmann. | 11

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