Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16
zm 110, Nr. 15-16, 16.8.2020, (1478) Die Krux dabei: Der Bund will den ÖGD personell stärken, die Stellen in den Gesundheitsämtern werden je- doch von den Kommunen bezahlt. „Die stellen sich jedoch oft quer“, so Teicherts Erfahrung. Zur Personal- gewinnung fordert der BVÖGD schon seit Langem eine den Krankenhaustari- fen gleichgestellte Bezahlung der Ärztinnen und Ärzte in den Gesund- heitsämtern. Dies werde aber seit Jahren von der Vereinigung der kom- munalen Arbeitgeberverbände (VKA) blockiert, berichtet Teichert. SO VIEL GELD WIE GERADE IST NOCH NIE GEFLOSSEN Ob die im Pakt vorgesehenen Maß- nahmen ausreichen, um den ÖGD nachhaltig zu stärken, ist für Teichert im Moment schwer abzuschätzen. So viel Geld wie jetzt sei noch nie in den Bereich geflossen, sagte sie. Neben personeller Aufstockung seien auf je- den Fall auch strukturelle Veränderun- gen notwendig. Fehlendes verzahntes Vorgehen mit anderen Ämtern und Gesundheitsämtern vor Ort sei bei- spielsweise oft ein Problem. Unerläss- lich sei aber auch die Koordination auf Bundesebene. Teichert: „Wir brauchen dringend ein Bundesinstitut für öffent- liche Gesundheit.“ ALLES WURDE HERUNTER GESPART Für den Bundesverband der Zahnärz- tinnen und Zahnärzte (BZÖG) ist das Maßnahmenpaket der Bundesregie- rung ein positives Signal. „Allerdings kann dies nur ein erster Schritt sein“, sagte der 1. Vorsitzende des Verbandes, Dr. Michael Schäfer, den zm. „Denn neben dem jetzt ganz akut wichtigen Bereich des Infektionsschutzes müssen weitere bevölkerungsbezogene The- men wie Prävention und Gesundheits- förderung, die gemeindepsychiatrische Versorgung der Bevölkerung sowie Gesundheitsberichterstattung und gesundheitliche Chancengleichheit einen ebenso großen Stellenwert erlan- gen und gleichwertig personell, digital und finanziell gefördert werden. Alles wurde herunter gespart.“ ZURÜCK ZUR NORMALITÄT GEHT NUR MIT DEM ÖGD Teichert ergänzt: „Wir weisen schon seit Jahren darauf hin, dass dieser Zweig völlig unterbesetzt ist, zum Bei- spiel auch im zahnärztlichen Bereich. Es gibt jede Menge Aufgaben, die über Jahre hinweg abgebaut und liegenge- bleiben sind. Hygiene, Infektions- schutz, zahnärztlicher Dienst ... alles heruntergespart!“ Wenn die Bevölkerung nach dem Lockdown jetzt zu einer neuen Norma- lität zurückkehren soll, werde der ÖGD stark involviert sein, machte Schäfer klar. Derzeit müssten die Gesundheits- ämter binnen kürzester Zeit Umbau- prozesse steuern und durchführen, die sonst Jahre dauerten. Dazu gehörten die Personalaufstockung mithilfe ande- rer Verwaltungseinheiten, die Entwick- lung und Durchführung von Teststra- tegien – beispielsweise in Alten- und Pflegeeinrichtungen, Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften – sowie der Aufbau von „Abstrichzentren“ für die Bevölkerung. Versteht sich von selbst, dass alle Maßnahmen in der Kontakt- personennachverfolgung stringent ab- laufen müssen, um Infektionsketten zu unterbinden. FÜR EINE ZWEITE WELLE MUSS MAN SICH JETZT WAPPNEN Wichtig sei auch, das nahende Ende der Sommerferien und damit die Rück- kehr von Schulkindern und Kita- Kindern in den Einrichtungen zu bedenken, betonte Schäfer. Bis dann müssten nämlich die hierzu nötigen Maßnahmen stehen. Schäfer: „Dass dies eine gigantische Aufgabe ist, kann ein Außenstehender nur erahnen. Diese Bedingungen müs- sen jedoch erfüllt sein, bevor nach meinem Dafürhalten an eine Rückkehr zur Normalität gedacht werden kann.“ Und wie sind die Gesundheitsämter aufgestellt, falls eine zweite Pandemie- welle anrollen sollte? „Für diesen Fall muss man jetzt vorsorgen,“ sagte Teichert. „Gebraucht werden Personal, Räume oder Schutzkleidung, den Bedarf kann man jetzt vernünftig pla- nen. Das Gleiche gilt auch dann, wenn ein Impfstoff kommt. Wer wird wann DAS SCHLÄGT DER BVÖGD VOR Das Zehn-Punkte Programm des BVÖGD zur Stärkung des ÖGD: 1. Dauerhafte Personalaufstockung in allen Bereichen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene mit qualifiziertem Fach- personal sowie Bestandsaufnahme und Analyse der aktuellen Situation des ÖGD 2. Tarifangleichung der ärztlichen Gehälter im ÖGD 3. Neues Förderprogramm zur technischen und digitalen Aufrüstung 4. Kommunikationsverbesserung im ÖGD 5. Neue Konzepte zur Stärkung des ÖGD über alle Ebenen (Bund, Ländern und Gemeinden) 6. Deutliche Steigerung der Ausbildungs- kapazitäten sowie der Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten im ÖGD 7. Schaffung von Lehrstühlen und Stärkung der wissenschaftlichen Grundlage für das Öffentliche Gesundheitswesen 8. Feste Verankerung bevölkerungsmedizinischer Lehrinhalte im Medizinstudium 9. Möglichkeit zur Famulatur und zum Praktischem Jahr im ÖGD als Teile des Medizinstudiums durch Änderung der Approbationsordnung 10. Berücksichtigung des ÖGD bei der Planung der medizinischen Versorgung auf kommunaler und regionaler Ebene „Alles muss mit sehr wenig neuem Personal erarbeitet werden – und dass dieses Personal oft schon nahezu fünf Monate im Dauereinsatz ist, macht es umso schwieriger.“ BZÖG-Vorsitzender Dr. Michael Schäfer 20 | POLITIK
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