Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16
zm 110, Nr. 15-16, 16.8.2020, (1484) Mammakarzinoms ausgeschlossen werden (Abbildung 5). Wegen des stark reduzierten Allgemeinzustands und der extremen Tumorausdehnung wurde die Patientin nach einem Votum der interdisziplinären Tumorkonferenz einer nicht-chirurgischen onkolo- gischen Therapie mit einem palliativen Ansatz zugeführt. Die Patientin ver- starb im weiteren Verlauf. DISKUSSION Dieser Fall zeigt eindrücklich die Viel- zahl möglicher Differenzialdiagnosen osteolytischer Prozesse im Unterkiefer. Neben ortsständigen Tumoren (wie dem oralen Plattenepithelkarzinom) oder Knochentumoren kommen auch Metastasen anderer Entitäten in Be- tracht. Ebenfalls von differenzial- diagnostischer Relevanz – mit Blick auf die Anamnese des hier vorgestellten Falles – ist die Osteoradionekrose. Eine besondere Herausforderung ist das Azinuszellkarzinom, das sich selbst histopathologisch sehr schwer vom MEK differenzieren lässt. Hinsichtlich der Pathogenese des MEK könnte möglicherweise die vorange- gangene Bestrahlung des Unterkiefers eine Rolle spielen, die als möglicher ätiologischer Faktor beschrieben wird [Kämmerer et al., 2017]. Diese voran- gegangene Bestrahlung limitiert im vorliegenden Fall die weiteren Therapie- optionen deutlich. Was die bildgebende Diagnostik be- trifft, wird das MRT als Standard zur Darstellung des Primärtumors im Weichgewebe angesehen [Garrett et al., 2019]. Kontrovers diskutiert wird beim MEK die Feinnadelbiopsie, die in knapp 78 Prozent der Fälle eine zielführende Diagnose erlaubt [Miller et al., 2019]. Die Frage nach Impf- metastasen bleibt bislang ungeklärt. Die Therapie des MEK besteht in der radikalen pR0-Resektion des Tumors mit ausreichendem Sicherheitsabstand. Bei high-grade- und T3/T4-Tumoren kann zusätzlich auch in einer cN0- Situation eine prophylaktische Neck Dissection und gegebenenfalls eine ad- juvante Strahlentherapie empfohlen werden, deren Nutzen allerdings noch unklar ist [Ellis et al., 2016; Zenga et al., 2019]. Wu et al. berichteten über den möglichen Benefit der Kombination aus chirurgischer Resektion sowie einer anschließenden 125 I Brachytherapie [Wu et al., 2019]. Relevante Prognose- faktoren sind das Tumorstadium, das Grading, der Lymphknotenstatus sowie eine mögliche perineurale und lymphovaskuläre Invasion. Intraparot- ideale Lymphknotenmetastasen sind eher selten und verschlechtern die Prog- nose signifikant [Niu et al., 2019]. \ Interessenkonflikte: Dieser Fall wurde im Rahmen des 69. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Frank- furt 2019 vorgestellt. FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Unklare Osteolysen des Kiefer- knochens werden häufig erst sehr spät erkannt und bieten eine Vielzahl an möglichen Differenzialdiagnosen. \ Frühe Symptome können unter anderem unklare Schmerzen, Zahnlockerungen, eine Funktions- einschränkung sowie Entzündungen unklarer Ursache sein. \ Diese Symptome sollten zeitnah einer weiteren Diagnostik (Bild- gebung und Probeexzision) und einer histopathologischen Diagnose- sicherung zugeführt werden. \ Dabei ist (differenzial-)diagnostisch von Bedeutung, dem Pathologen neben der klinischen Anamnese auch die vorhandene Bildgebung zur Verfügung zu stellen. Foto: BWZK Abb. 4: Das im Rahmen des komplettierenden Stagings durchgeführte FDG PET-CT zeigt die deutliche FDG-Mehrspeicherung im Bereich des linken aufsteigenden Unterkieferastes. Foto: Pathologie BWZK Abb. 5: Histologie. (A) H&E-Färbung. (B) PAS-Färbung: Die Tumorzellen sind groß und weisen ein aufgehelltes Zytoplasma mit einer deutlich zugunsten des Kerns verschobenen Kern-Plasma- Relation und schwere Kernatypien auf. Die Kerne haben eine gelockerte Chromatinstruktur und Makronukleolen. Die Zellgrenzen sind überwiegend gut abzugrenzen, das Zytoplasma ist blass eosinophil, teilweise auch klar. Es finden sich zahlreiche Mitosen, darunter auch atypische Kernteilungsfiguren sowie eine insgesamt mäßige Stromadesmoplasie. In der PAS-Färbung (B) zeigen die Tumorverbände eingelagert zahlreiche PAS-positive, muzin-speichernde Granula, jedoch nicht Diastase-resistent. Eindeutig Becherzellen zuzuordnende Strukturen in der Alcian- PAS-Färbung sind nicht zu erkennen. OBERSTARZT PROF. DR. DR. RICHARD WERKMEISTER Klinik VII; Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Bundeswehrzentralkrankenhaus Rübenacherstr. 170, 56072 Koblenz Foto: BWZK A B 26 | ZAHNMEDIZIN
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