Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm 110, Nr. 15-16, 16.8.2020, (1510) Fallbeispiel 4 (Abbildung 6) Eine 22-jährige Patientin verspürte nach einer direkten Überkappung mit Ledermix am Zahn 37 pulsierende Schmerzen. Die wiederholte Einnahme von Ibuprofen 400 führte nicht zu Schmerzfreiheit. Der Zahn wies keine patho- logischen Sondierungswerte auf, war jedoch mit Zahn- beweglichkeit Grad II im Vergleich zum Restzahngebiss ge- lockert und perkussionssensibel. Es bestand der Verdacht auf eine irreversible Pulpitis (Abbildung 6a). Unter Kofferdam wurde das Verschlussmaterial entfernt. Im Bereich der offen liegenden Pulpakammer ließ sich bei acht- facher Vergrößerung ein Pustropfen erkennen (Abbildung 6b). Daraufhin wurden das Pulpakammerdach im Bereich der ehemaligen kariösen Läsion und das Pulpagewebe ober- flächlich unter Wasserkühlung mit einem Diamant abgetra- gen (Abbildung 6c). Nach einer zehn Minuten andauernden Oberflächendesinfektion mit 3-prozentigem NaOCl und Spülung mit Kochsalzlösung kam es zu keiner weiteren Blutung. Das intakte und homogen durchblutete Pulpa- gewebe ließ vermuten, dass die Pulpa weiterhin erhalten bleiben kann, so dass die etwa 5mm 2 große Pulpawunde mit MTA abgedeckt wurde. Die Kavität wurde mit Komposit verschlossen. Die Schmerzsymptomatik klang bereits nach einem Tag vollständig ab. Zum Einjahresrecall reagierte der Zahn auf den thermischen und elektrischen Sensibilitätstest positiv. Die Zahnbeweg- lichkeit war physiologisch und röntgenologisch erschien der Desmodontalspalt im Vergleich zum Ausgangsbild in normaler Breite (Abbildung 6d). Einzeitig versus mehrzeitig Bereits seit über 150 Jahren besteht Einigkeit darin, dass nicht mikrobiell infizierte Wurzelkanalsysteme in einer Sitzung behandelt werden sollten [Tomes, 1861]. Auf der Basis der vorliegenden Untersuchungen gibt es auch bei infizierten Wurzelkanalsystemen keinen signifikanten Unterschied im Fallbeispiel 4: Pulpotomie am Zahn 37 Abb. 6a: Am Zahn 37 ist ein pulpanaher Zahnhartsubstanzverlust erkennbar. Der Desmodontalspalt ist erweitert. Pulpakammer und Wurzelkanäle weisen eine große Dimension auf, so dass eine partielle Erhaltung von Pulpagewebe möglich erscheint. Abb. 6b: Nach Entfernung des Verschlussmaterials und der Ledermix-Einlage entleerte sich aus der offenen Pulpakammer ein Pustropfen (Pfeile) als Hinweis auf eine Nekrose von Teilen des Pulpagewebes. Abb. 6c: Erst nach einer größeren Freilegung der Kronenpulpa gelingt es, den Bezirk der Pulpaschädigung zu ermitteln und das Gewebe zu entfernen. Nachdem die Blutung zum Stillstand gekommen ist, kann die Wunde mit MTA abgedeckt und mit Komposit dicht verschlossen werden. Abb. 6d: Ein Jahr nach Abschluss der Therapie ist auf der Röntgenaufnahme ein gleichmäßig verfolgbarer Desmodontalspalt physiologischer Breite erkennbar – bei positiver Sensibilität und Symptomfreiheit. Fotos: Michael Arnold 12M 6a 6b 6c 6d 52 | ZAHNMEDIZIN

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