Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm 110, Nr. 15-16, 16.8.2020, (1517) mikrochirurgische Instrumente und Nahtmaterialien wurden verwendet. Es kam zu keinen Ödemen oder Hämato- men. Die Patienten gaben keine Schmerzen an. Der klinische Attach- mentlevel war nach einem Jahr um 88,7±20,7 Prozent höher als zu Beginn der Behandlung. Eine primäre Wund- heilung konnte in 92,3 Prozent er- reicht werden [Cortellini & Tonetti, 2007]. Auch bei der Behandlung ne- beneinanderliegender intraossärer Knochendefekte kam es unter den glei- chen Bedingungen zu einer Zunahme des klinischen Attachmentlevels um 83 ± 20 Prozent. Die Patienten gaben moderate Schmerzen für den Zeitraum der ersten 21 ± 5 Stunden an. Eine primäre Wundheilung konnte in 100 Prozent der Fälle erreicht werden [Cortellini et al., 2008]. Cairo et al. untersuchten die Behand- lung parodontaler Taschen mit flachen oder moderaten Knochendefekten (kleiner/gleich 3 mm) in der ästheti- schen Zone unter Anwendung der „Fibre Retention“-Technik in Kombi- nation mit Papillenerhaltungslappen. Die Heilung verlief in 100 Prozent der Fälle per primam und ohne besondere Vorkommnisse. Die Verwendung des Operationsmikroskops verbesserte die visuelle Wahrnehmung und erhellte das Operationsfeld, so dass die in der Tiefe der Defekte verbliebenen paro- dontalen Fasern besser identifiziert und erhalten werden konnten. Das Ergebnis zeigte eine Zunahme des klinischen Attachmentlevels, eine Reduktion der Sondierungstiefen und geringe Rezessionsausbildungen. Es gab keine postoperativen Komplikatio- nen und die Patienten waren mit dem ästhetischen Ergebnis zufrieden [Cairo et al., 2008]. In einer systematischen Literaturüber- sicht von Kang et al. wurde die Effek- tivität eines mikrochirurgischen Ansat- zes bei der Behandlung gingivaler Rezessionen mit der Anwendung kon- ventioneller makrochirurgischer Tech- niken unter Einbeziehung von vier randomisierten klinischen Studien verglichen [Kang et al., 2015]. Die mi- krochirurgische Vorgehensweise erwies sich als vorteilhaft. Die Gründe schei- nen in den exakt geplanten Inzisionen, atraumatisch präparierten Lappen und präzisen, spannungsfreien Wundver- schlüssen zu liegen, die in der Mehr- heit der Fälle eine primäre Wundhei- lung ermöglichten [Shanelec, 2003]. In einer Literaturübersicht von Yadav et al. wurden alle Studien zu parodon- talchirurgischen Eingriffen bis zum Jahre 2017 inkludiert, in denen Ver- größerungshilfen zur Anwendung ka- men. Die bereits beschriebenen Vortei- le eines mikrochirurgischen Ansatzes mit einem primären Wundverschluss, der meist über den gesamten Hei- lungsprozess stabil blieb, einer präzi- sen und atraumatischen Behandlungs- weise, einer deutlich gesunkenen Morbidität im Vergleich zur konven- tionellen makrochirurgischen Vorge- hensweise, einem besseren klinischen Ergebnis sowie einer höheren Patien- tenzufriedenheit hinsichtlich des Eingriffs im Allgemeinen und auch be- zogen auf die ästhetischen Behand- lungsresultate wurden hierbei deutlich [Yadav et al., 2018]. VERGRÖßERUNGSHILFEN IN DER PRAXIS Trotz der offensichtlichen Vorteile fin- det das dentale Operationsmikroskop bis heute in der oralen Chirurgie keine routinemäßige Anwendung. Die Grün- de hierfür können mannigfaltig sein. Zu nennen sind insbesondere die eingeschränkte Flexibilität in der Handhabung, das begrenzte Sichtfeld, der Verlust von Tiefenschärfe und visueller Referenzpunkte, die hohen Anschaffungskosten, ein hoher Lern- aufwand für den Kliniker und die Notwendigkeit der Anschaffung mikrochirurgischer Instrumente und Nahtmaterialien. Während der Anfänge mikrochirurgi- schen Arbeitens in der Oralchirurgie zu Beginn der 1990er-Jahre wurden kurzerhand Instrumente und Nahtma- terialien aus anderen Fachdisziplinen, die die Mikrochirurgie bereits imple- mentiert hatten, in die mikrochirurgi- sche Parodontalchirurgie übernom- men. Allein schon die Größe dieser Instrumente und Nadel-Faden-Kombi- nationen machte die Verwendung eines dentalen Operationsmikroskops während dieser Zeit obligat. Da sich jedoch die ergonomischen Anforde- rungen beispielsweise in der Gefäß- und Handchirurgie ganz wesentlich von denen oralchirurgischer Eingriffe unterscheiden, wurden nach und nach mikrochirurgische Instrumente und Nahtmaterialien speziell für den Einsatz in der oralen Mikrochirur- gie entwickelt. Die doch sehr indi- viduellen und speziellen Anforderun- gen führten unter ergonomischen Gesichtspunkten zu vergleichsweise größeren und schwereren Instrumen- Abb. 8: Der Ausgangs-PAR-Befund verdeut- licht die nach wie vor vorhandenen klinischen Entzündungszeichen und erhöhten Sondie- rungstiefen. Abb. 9: Ausgangsröntgenbild: Der intraossäre Defekt ist deutlich zu erkennen. | 59

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