Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm 110, Nr. 15-16, 16.8.2020, (1538) Nach vollständiger Freilegung des Nervs konnte der Sealer nahezu voll- ständig aus dem Kanal geborgen werden (Abbildung 8). In der postoperativen DVT-Aufnahme zeigt sich weiterhin Sealer randständig an der mesialen Alveolenwand des Zahnes 34. Wir entschieden uns für das Belassen des Materials, da die voll- ständige Entfernung zum Verlust der distalen Alveolenwand geführt hätte und damit auch zum Verlust des Zahnes 33 (Abbildungen 9 und 10). Bei der Patientin wurde für weitere fünf Tage die antibiotische Therapie mit Unacid ® dreimal 3 g und eine analgetische Therapie mit Ibuprofen 600mg fortgeführt. Postoperativ er- hielt sie eine Magensonde über die Nase für weitere 48 Stunden, damit das Operationsgebiet und die Nähte nicht zusätzlich belastet wurden. Nach der Entlassung wurde eine orale Antibiotikatherapie mit Amoxi/comp 875/125 mg dreimal täglich und eine Schmerztherapie mit Novalgin ® bei Bedarf fortgeführt. Zwei Wochen postoperativ zeigten sich regelrechte Wundverhältnisse ohne Entzündungs- anzeigen (Abbildung 11). Es bestand weiterhin eine negative Sensibilität auf Kälte an den Zähnen 33 und 32 sowie eine ausgeprägte Dysästhesie mit Par- ästhesien im Versorgungsgebiet des N. trigeminus V 3 links. DISKUSSION Endodontische Behandlungen sind heutzutage routinemäßige Behandlun- gen in der zahnärztlichen Praxis. Dabei werden das infizierte Pulpa- und Dentingewebe durch mechanische Reinigung und die Erweiterung des Wurzelkanalsystems mit Instrumenten entfernt, mit verschiedenen Spül- flüssigkeiten desinfiziert und mit dimensionsstabilen Füllungsmateria- lien obturiert. Ziel der Behandlung ist es, eine dauerhafte, bakteriendichte Umgebung zu schaffen, ohne das peri- apikale Gewebe zu schädigen [Koçak- Berberoglu et al., 2011; Hirai et al., 2010; Kishen, 2010]. Die Erfolgsrate endodontischer Behandlungen wird in der Literatur zwischen 68 und 85 Pro- zent angegeben [Devine et al., 2017]. Verletzungen des Nervus Trigeminus können durch verschiedene dentale Eingriffe – zum Beispiel Leitungsanäs- thesien, operative Entfernungen der Weisheitszähne, aber auch der ersten oder zweiten Molaren, Implantat- insertionen, Frakturbehandlungen mit Osteosynthese oder Umstellungs- osteotomien – verursacht werden. Komplikationen durch endodontische Eingriffe sind selten, können jedoch durch eine Überinstrumentierung und durch den Austritt von Spülflüssig- keiten, Druckluft und/oder temporä- ren oder permanenten Sealern über den Periapex auftreten [Devine et al., 2017; Poveda et al., 2006; von Ohle und ElAyouti, 2010]. Insbesondere spielt die geringe Distanz zwischen Apices und dem Foramen mentale ei- ne wichtige Rolle und sollte vor allem bei endodontischen Eingriffen berück- sichtigt werden. Chong et al. berich- ten in ihren Untersuchungen über eine minimale Distanz von 1,7 mm zwischen dem ersten Prämolaren und dem Canalis mandibularis [Chong et al., 2017]. Die Zytotoxizität des Sealers, aber auch Druck nah am oder im Mandibular- kanal können den Nerv schädigen. Hier sind insbesondere Sealer, die Paraformaldehyd enthalten, mit den häufigsten Komplikationen assoziiert [Alves et al., 2014]. Je nach Ausmaß der Nervschädigung sind vorübergehende Sensibilitätsstörungen, aber auch dau- erhafte Parästhesien/Anästhesien mög- lich. Die Inzidenz der Nervschädigung bei der endodontischen Behandlung von Prämolaren wird in der Literatur mit 0,96 Prozent angegeben [Alves et Abb. 6: Klinische Darstellung nach Entfernung des Zahns 34 und Neurolyse des N. mentalis DR. MED. DR. MED. DENT. LARS BONITZ M.SC ., FEBOMFS Klink für Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgie, Klinikum Dortmund gGmbH Münsterstr. 240, 44145 Dortmund Foto: privat 6a 6b 80 | ZAHNMEDIZIN

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