Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 110, Nr. 17, 1.9.2020, (1594) A ntidepressiva sind primär in- diziert zur Behandlung von Depressionen und Angststörun- gen, zum Beispiel bei generalisierter Angststörung, Zwangsstörungen, Panikstörungen, Phobien und post- traumatischer Belastungsstörung [de Vries et al., 2018]. Antidepressiva werden aber auch für „Off-Label“- Indikationen verwendet, beispielsweise zur Behandlung von chronischen Schmerzen, wobei der genaue Wirk- mechanismus bisher nur lückenhaft geklärt ist [Welsch et al., 2018; Riediger et al., 2017; Tajti et al., 2016]. Diese Pharmaka werden von jenen circa 20 Prozent aller zahnärztlichen Patienten eingenommen, die an psychiatrischen Komorbiditäten wie Depressionen, Angstzuständen, Auf- merksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts- störungen (ADHS), bipolaren Störun- gen und/oder saisonalen affektiven Störungen (engl. Seasonal Affective Disorder – SAD), leiden [Giglio und Laskin, 2010]. Deshalb ist es wichtig für den Zahnarzt, die Pharmakologie der Antidepressiva und pflanzlichen Nahrungsergänzungsmittel mit anti- depressiven und/oder angstlösenden Eigenschaften zu kennen. Nebenwir- kungen, einschließlich der verstärkten Blutungen bei invasiven Behandlungen und Wechselwirkungen mit Katechola- minen in der Lokalanästhesie, können den Behandlungsablauf signifikant be- einflussen. PHARMAKOLOGIE DER ANTIDEPRESSIVA Antidepressiva werden in folgende therapeutische Klassen eingeteilt: tri- zyklische Antidepressiva (TCA), selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), selektive Serotonin-Noradrena- lin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) und Monoaminoxidasehemmer (MAO- Hemmer). Die Kategorie „atypische Antidepressiva“ umfasst weitere Wirk- stoffe, die sich nicht den traditionellen Klassen zuordnen lassen (Tabelle 1). Die jeweiligen Namen spiegeln deren Struktur wider oder beschreiben deren Wirkung auf ein Enzym oder die Wieder- aufnahmehemmung von Neurotrans- mittern im synaptischen Spalt. Der ge- naue Wirkmechanismus ist teilweise unbekannt, wobei die Antidepressiva meist die Konzentration von Serotonin und/oder Noradrenalin an der neuro- nalen Synapse erhöhen [Fakra et al., 2010]. Patienten berichten von einer Symptombesserung mit einer Wirkungs- latenz von circa zwei bis vier Wochen nach erstmaliger Einnahme, die wahr- scheinlich mit einer Downregulation der postsynaptischen Rezeptoren im Zentralnervensystem (ZNS) einhergeht [Frazer und Benmansour, 2002]. Trizyklische Antidepressiva (TCA) Die Gruppe der trizyklischen Medika- mente trägt ihren Namen aufgrund ihrer 3-Ring-Struktur [Heimstad et al., 1991]. Tetrazyklische Antidepressiva, zum Bei- spiel Maprotilin (Ludiomil ® ), weisen in ihrer Molekülstruktur grundlegende Parallelen zu Trizyklika auf, besitzen jedoch ein Vierringsystem [Zak und Szebeni, 1985]. Aufgrund ihrer pharma- kodynamischen Ähnlichkeiten werden beide Gruppen mitunter gemeinsam aufgeführt. Foto: AdobeStock_pressmaster ZAHNÄRZTLICHE PHARMAKOLOGIE Antidepressiva und Mundgesundheit Frank G. Mathers, Holger Schön Antidepressiva sind bekannt für ihre ausgeprägten Neben- und Wechselwirkungen, auch mit Substanzen, die zur zahnärztlichen Behandlung gehören. Zahnärztlich angewendete Pharmaka, primär Lokalanästhetika mit Vasokonstriktoren, können erhebliche Interaktionen mit den angewendeten Psychopharmaka verursachen. Darüber hinaus führen sowohl die psychischen Grunderkrankungen als auch deren Behandlung mit Antidepressiva häufig zu Problemen mit der Mundgesundheit wie Zähneknirschen, Mundtrockenheit und reduzierte Mundhygiene. Der Beitrag bietet einen Einblick in die für die Zahnmedizin wichtigen Aspekte bei einer Medikation mit Antidepressiva. 32 | ZAHNMEDIZIN

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