Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17
zm 110, Nr. 17, 1.9.2020, (1598) Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin möglich. Die häufig ver- ordneten Vertreter dieser Gruppe Venlafaxin und Duloxetin können aufgrund ihrer nachgewiesenen anal- getischen Wirkung auch zur Behand- lung von chronischen Schmerzen ein- gesetzt werden [Finnerup et al., 2013]. Der analgetische Effekt kann bei Pa- tienten unabhängig davon beobachtet werden, ob eine Depression vorliegt oder nicht. Studien zeigen bei niedriger Dosierung einen rascheren Wirkungs- eintritt der analgetischen Komponente im Vergleich zur antidepressiven Wirkung. Monoamin-Oxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) MAO-Hemmer sind eine ältere Klasse von Antidepressiva, die heute nur noch eingesetzt wird, wenn das Neben- wirkungsprofil den Einsatz neuerer Psychopharmaka verhindert. Sie ent- falten ihre Wirkung durch die Inhibi- tion des Enzyms Monoaminoxidase im präsynaptischen Spalt. Die Isoform MAO-A metabolisiert Tyramin, das in hoher Konzentration in Lebensmitteln wie Käse, Avocado, Favabohnen, Leber und Wein enthalten ist. Patienten soll- ten die Einnahme dieser Lebensmittel in Kombination mit MAO-A-Inhibito- ren unbedingt meiden, da ihre gleich- zeitige Einnahme zu einer potenziell lebensbedrohlichen Hypertonie führen kann [Goldstein et al., 2016]. Durch die Hemmung der MAO kommt es zu einem verminderten Abbau der Monoamine. Wahrscheinlich beruht die Verbesserung der Symptomatik auf einer vermehrten Freisetzung und einer verminderten Wiederaufnahme der Neurotransmitter im synaptischen Spalt. Moclobemid ist ein weitgehend selek- tiver reversibler Inhibitor der Mono- aminooxidase A. Selegilin (Antiparkin), ein selektiver, irreversibler MAO-B- Hemmer, wird zur Behandlung des Morbus Parkinson im Frühstadium eingesetzt. Zu den unerwünschten Wirkungen zählen orthostatische Hypotonie, sexuelle Dysfunktion und eine deutliche Gewichtszunahme. Im Gegensatz zu TCAs haben die MAO-Hemmer keine direkte Wirkung auf das kardiale Reizleitungssystem [Warrington et al., 1989]. Allerdings kommt es bei Überdosierungen zu einer überschießenden sympathischen Aktivität mit Pupillenweitstellung, Bluthochdruck, Tachykardie, Hyper- thermie, Krampfanfällen bis hin zum Koma und Exitus letalis [Giroud et al., 2004; Shah et al., 2001]. Johanniskraut Als pflanzliches Antidepressivum wird Johanniskraut in Deutschland relativ häufig zur Therapie bei leichter bis mittelschwerer Depression verordnet [Musselmann et al., 2011]. Das Präparat gilt als nebenwirkungsarm, insbesondere im Vergleich zu den anderen verschrei- bungspflichtigen Antidepressiva. Durch die nichtkompetitive Hem- mung der Wiederaufnahme von Dopa- min, Noradrenalin und Serotonin kann Johanniskraut zu einer Wirk- verstärkung bei gleichzeitiger Einnah- me anderer Antidepressiva führen [Nathan, 2001]. Johanniskraut kann zu einer Leberenzyminduktion führen und dadurch die Metabolisierung von anderen Pharmaka stören. Bekannt ist die beschleunigte Verstoffwechselung von Benzodiazepinen, Blutverdünnern und Schmerzmitteln aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antiphlogistika (Tabelle 2) [Hennessy et al., 2002; Prost et al., 2000]. Johanniskrauthaltige Arzneimittel sind zum Teil verschreibungspflichtig und besitzen eine Zulassung zur Therapie bei leichten bis mittelschweren depres- siven Episoden [Kasper und Schulz, 2000]. Eine Kassenleistung besteht bei Erwachsenen jedoch nur zur Behand- lung einer mittelschweren depressiven Episode bei gesicherter Diagnose. Bei leichten vorübergehenden depressiven Störungen sind rezeptfreie Alternativen verfügbar. Gemäß Paragraf 12 (11) der Arzneimittel-Richtlinie müssen diese Präparate in der Apotheke dann je- doch privat vom Patienten erworben werden. Wechselwirkung mit Johanniskrautpräparaten Medikamentengruppe/Pharmakon a b c d e f g h Tab. 2, Quelle: Mathers, Schön Antikoagulanzien vom Cumarin-Typ (zum Beispiel Phenprocoumon, Warfarin) Ciclosporin Digoxin Indinavir u. a. Protease-Inhibitoren in der Anti-HIV-Behandlung Amitriptylin, Nortriptylin Theophyllin Orale Kontrazeptiva Nefazodon, Paroxetin, Sertralin Wirkung Wirkungsabschwächung beziehungsweise Abnahme des Serumspiegels (Dosisanpassung und -überwachung, insbesondere zu Beginn oder bei Absetzen der Behandlung) (b) Wirkungsabschwächung beziehungsweise Abnahme des Serumspiegels (wie b) (wie b) (wie b) (wie b) Auftreten von Zwischenblutungen Verstärkung der serotonergen Wirkungen, wie zum Beispiel Übelkeit, Erbrechen, Angst, Ruhelosigkeit, Verwirrtheit 36 | ZAHNMEDIZIN
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