Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 110, Nr. 17, 1.9.2020, (1613) DIE MENSCHLICHE SEHFÄHIGKEIT Wir wissen, dass der menschliche Kör- per mit zunehmendem Alter bestimm- ten Alterungsprozessen unterliegt. Be- kannt ist die „Weitsichtigkeit“, die gemeinhin ab dem 40. Lebensjahr (individuell unterschiedlich!) langsam beginnt und fortschreitet. Die Linse wird weniger flexibel, dadurch gelingt die Akkommodation mit der Zeit schlechter. Das heißt, dass die Fähig- keit zur Nahsicht abnimmt. Ein Bei- spiel aus dem zahnärztlichen Alltag: Man präpariert eine Klasse-II-Kavität und gibt auf den Nachbarzahn acht, damit er nicht touchiert und unbeab- sichtigt verletzt wird. Durch eine An- näherung des eigenen Kopfes an den Mund des Patienten vergrößert sich das wahrgenommene Bild und man präpariert vorsichtiger und sicherer [Eichenberger et al., 2018]. Dieses ergonomisch schlechte Verhalten lässt sich hundertfach im Studenten- kurs beobachten; daher wird der Ge- brauch von Lupenbrillen empfohlen, um die Nahsicht durch Heranbewegen des Kopfes auszugleichen und den Rücken des Behandlers zu schonen. Es wurde nämlich gezeigt, dass eine 2,5-fache Galilei-Lupenbrille bei Zahn- ärzten über 40 Jahren zu einem gleich guten Sehresultat führt wie die (akko- modierte) Nahsicht bei jüngeren Kol- legen [Eichenberger et al., 2011]. In Bezug auf die visuelle Kariesdiagnos- tik, die nicht zuletzt auch vom Detail- sehen abhängt, leitet sich daraus ab, PD DR. KLAUS W. NEUHAUS MMA MAS \ 1999: Diplom-Pianist, HfM Köln (Meisterklasse Prof. Pavel Gililov) \ 2003: Staatsexamen Universität Witten/Herdecke \ 2004: Dissertation Universität Witten/ Herdecke \ 2004–2007: Assistent und wissenschaftlicher Mitarbeiter, Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie, Universität Basel \ 2008–2018 Oberarzt an der Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin, ZMK Bern \ 2012: Master of Advanced Studies in Kariologie, Endodontologie und Kinderzahnmedizin, Universität Bern \ 2014: Habilitation im Fach Zahnerhaltung \ Seit 2016: Präsident der Aktion Zahnfreundlich, Schweiz \ Seit 2018: tätig in eigener Praxis in Herzogenbuchsee sowie Forschungs-Oberarzt an der Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie, Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel Foto: privat Abb. 2: (Auge 30 cm = 30 cm Abstand Auge – Objekt, Auge frei = Verkürzung des Auge- Objekt-Abstands erlaubt, Galilei/Kepler = ohne zusätzliches Licht, OPM = Operationsmikroskop, 1/mm = je größer der Zahn, desto kleiner das Objekt (reziproker Wert, * Mit einer 2,5-fachen Lupenbrille erreichten die älteren Zahnärzte in etwa das Sehvermögen der jüngeren Zahnärzte mit Akkomodation.) Quelle: Klaus W. Neuhaus [nach Eichenberger et al., 2011] Detailerkennung von Zahnärzten beim Nahsehtest: Altersgruppen bis 40 Jahre und über 40 Jahre Abb. 3: Die Detailsicht ist in der visuellen Kariesdiagnostik von besonderer Bedeutung. Schon kleine Oberflächendefekte führen zu deutlichen Reaktionen im Dentin (siehe aufgesägte Läsion rechts) und beherbergen eine große Zahl von Mikroorganismen. Fotos: Klaus W. Neuhaus | 51

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