Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 110, Nr. 17, 1.9.2020, (1568) Liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Auswirkungen die Pandemie sowohl für unsere Patienten als auch für das Praxisteam besitzt, hat uns alle bewegt. Und ja – auch die Zahnärzte waren verunsichert. Aber inzwischen ist es breiter Konsens, dass unsere Praxen keinen Risiko- bereich für COVID-19-Infektionen darstellen. Dies ist der Stand nach den vorliegenden nationalen und internationalen Expertenmeinun- gen. Und das beruht auf den seit Jahren sehr stringent durchgeführ- ten Arbeitsschutz- und Hygiene- maßnahmen in den Praxen. Zahl- reiche Fortbildungsveranstaltungen der Zahnärztekammern sowohl für Zahnärzte als auch für unsere Teams haben dazu beigetragen, dass sich hohe Kompetenz und effektive Qualitätsmanagementsysteme im Praxisalltag etabliert haben. Kaum ein anderer medizinischer Fach- bereich war so konsequent wie wir: Wo gehören schon Mundschutz, Handschuhe, Desinfektion und Dekontamination selbstverständlich zum medizinischen Alltag? Diese Maßnahmen kennen die Patienten aus der zahnärztlichen Praxis – und zwar schon aus Zeiten, als Mund-Nasen-Schutz noch nicht zur Alltagskleidung gehörte. Aber Anfang August brachte die WHO den Stein wieder ins Rollen – durch eine Stellungnahme, in der sie empfahl, zahnmedizinische Behandlungen auf die Notfall- versorgung zu reduzieren. Angesichts dieser Aussage stellt sich die Frage: Gibt es neue Erkenntnisse, die diese globale Empfehlung rechtfertigen? Wir von der BZÄK, aber auch die American Dental Association (ADA), haben dazu nichts in der WHO- Erklärung gefunden. Belastbare Datenlagen, dass zahnärztliche Be- handlungen zu erhöhten Infektions- risiken führen, gab und gibt es bis- her nicht. Zwischenzeitlich ist diese, durch die Medien verkürzt wieder- gegebene Empfehlung, auch vom Weltzahnärzteverband FDI und von der WHO selbst klargestellt worden – und zwar mit dem Hinweis auf die Abhängigkeit dieser Empfehlung vom vorhandenen regionalen Infektionsgeschehen und von den vorhandenen staatlichen Anordnungen. Die FDI ist hier auf Intervention der BZÄK und der ERO aktiv geworden. Gleichzeitig wird im gesamten Ge- sundheitsbereich auf die negativen Folgen und Gesundheitsschäden einer ausbleibenden medizinischen Behandlung hingewiesen. Ange- sichts der unklaren weiteren Ent- wicklung zum Infektionsgeschehen und zu einem möglichen Impfstoff – wie lange kann man mögliche irreparable Schäden für die (Mund-) Gesundheit der Weltbevölkerung in Kauf nehmen? Entscheidungen zur Pandemie können und müssen derzeit oft auf- grund von Expertenmeinungen und ihrer Plausibilität getroffen werden. Die Schwierigkeiten, randomisierte kontrollierte Studien (RCT) in diesem Umfeld durchzuführen, sind bereits ausführlich beschrieben. Somit ist mit Evidenz auf Gold- standardniveau in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Wir sehen nicht tatenlos zu, sondern nutzen unser Expertenwissen, um die empirische Datenlage zu verbessern. Basierend auf den bewährten Maß- nahmen der Hygiene und des Arbeitsschutzes hat die BZÄK Empfehlungen für die Durchführung zahnärztlicher Behandlungen wäh- rend der Corona-Pandemie erarbeitet. Diese werden auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien und inter- nationaler Empfehlungen ständig weiterentwickelt. Um mögliche Übertragungswege in Zahnarzt- praxen besser nachvollziehen zu können, benötigen wir aber Ihre Mithilfe, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auf Beschluss des Vor- stands der BZÄK wurde dafür ein Online-Fragebogen zum Infektions- geschehen und zu den ergriffenen Maßnahmen des Hygienemanage- ments in Zahnarztpraxen entwickelt. Der Link dazu wird Ihnen von Ihrer (Landes-)Zahnärztekammer zur Verfügung gestellt. Ich darf Sie auf diesem Weg herzlich darum bitten, sich an dieser Meldemöglichkeit unbedingt zu beteiligen. Wir erfüllen damit zwei wichtige Aufgabenstellungen. 1. Wir sorgen mit eigenen Daten für die eigene größtmögliche Sicherheit, aber auch für die uns anvertrauten Patienten. 2. Als wichtige Fachdisziplin der medizinischen Grundversorgung übernehmen wir selbst die Ver- antwortung und erweitern unsere Expertise. Übrigens: Abstriche nehmen und Impfen könnten auch Zahnärztinnen oder Zahn- ärzte. Wenn gewollt, dann muss der Gesetzgeber hierzu aktiv werden. Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Beitrag zum Thema siehe S. 8 Foto: axentis.de Zahnmedizin – große Expertise in Sachen Hygiene 06 | LEITARTIKEL

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