Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17
zm 110, Nr. 17, 1.9.2020, (1642) AUS DER WISSENSCHAFT Parodontalpathogene Bakterien in der Plazenta Kerstin Albrecht Ein Zusammenhang zwischen Parodontitis und ungünstigen Schwanger- schaftsverläufen diskutieren Wissenschaftler seit gut drei Jahrzehnten. Eine Studie aus Tokio hat diese Zusammenhänge nun greifbarer werden lassen, indem sie den Nachweis von sechs parodontalen Leitkeimen im Plazentagewebe mit Komplikationen während der Schwangerschaft in Beziehung gesetzt hat. V or 15 Jahren zeigte eine Meta- analyse von 17 Studien [Khader et al., 2005], dass eine Parodon- talerkrankung bei Schwangeren das Risiko einer Frühgeburt und eines niedrigen Geburtsgewichts signifikant steigen lässt. Als Ursachen diskutieren Wissenschaftler zum einen den erhöh- ten Zytokinspiegel als Wirtsantwort auf die Parodontitis [Lohsoonthorn et al., 2007; Sugita et al., 2012]. Zum anderen konnten Studien bereits Paro- dontalbakterien im Fruchtwasser von Schwangeren mit Parodontitis [Leon et al., 2007] und in Plazentagewebe nach- weisen [Swati et al., 2012]. Die sich wiederholende Bakteriämie von Paro- dontalbakterien trägt diese zu entfern- ten Organen und löst dort offensicht- lich eine Akute-Phase-Immunreaktion aus, die die Materno-Fetale-Einheit stört. In ihrer aktuellen Studie haben die japanischen Wissenschaftler nun die sechs am häufigsten in oralen und plazentaren Geweben vorkommenden Parodontalpathogene quantifiziert und den jeweiligen Titer an spezifischem Immunglobulin-G (IgG-Titer) im Blut von schwangeren Japanerinnen mit Frühgeburtstendenz und Frühgeburten mit geringem Geburtsgewicht be- stimmt. METHODE Von 64 schwangeren japanischen Frauen erfüllten 28 Schwangere mit Frühgeburtstendenz die Einschluss- kriterien in die Testgruppe der Studie, nämlich regelmäßige Uteruskontrak- tionen, Länge des Gebärmutterhalses unter zwei Zentimetern und/oder eine Blutung zwischen der 22. und der 28. Schwangerschaftswoche. Die anderen 36 gesunden Schwangeren bildeten die Kontrollgruppe. Nach den Geburten unterteilten die Forscher die Gruppe mit Frühgeburtstendenz noch in Früh- geburten (vor der 37. Schwangerschafts- woche) mit vermindertem Geburts- gewicht (n=9) und Frühgeburten mit normalem Geburtsgewicht (n=19). Bei den gesunden Schwangeren in der Kontrollgruppe gab es vier Neugeborene mit geringem Geburtsgewicht und 32 normalgewichtige Neugeborene. Zwischen der 26. und der 28. Schwan- gerschaftswoche untersuchte eine Parodontologin alle 64 Schwangeren Foto: AdobeStock_transurfer Erstmals konnten sechs parodontalpathogene Bakterien in plazentarem Gewebe nachgewiesen werden. 80 | ZAHNMEDIZIN
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