Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18
zm 110, Nr. 18, 16.9.2020, (1706) STELLUNGNAHME VON PROF. DOMINIK GROß Die Frage ist: Eignet sich der Namensgeber für eine Auszeichnung? Z unächst zu meinem Selbst- verständnis und meiner profes- sionellen Rolle bei Fragen der Umbenennung: Als Geschichtswissen- schaftler sehe ich meine eigentliche Aufgabe darin, historische Fakten zu ermitteln und zu präsentieren. Eine Umbenennung ist meines Erachtens eine nachgelagerte fachpolitische Ent- scheidung, keine wissenschaftshistorische. Deshalb würde ich nie sagen: „Sie müssen diese oder jene Umbenennung vornehmen!“ Ebenso wenig: „Sie sollten den Namen beibehalten!“ Auch im Fall Walkhoff gab es keine solche Aufforde- rung von mir, aber natürlich habe ich versucht, Antworten auf die Frage nach der (partei)politischen Orientierung von Walkhoff zu geben. Die Entscheidung für eine Umbenen- nung hat die DGZ unter der Leitung des Kollegen Christian Hannig völlig eigenverantwortlich getroffen – und genauso sollte das auch sein. FACHLICHKEIT VERSUS HONORABILITÄT Gern kann ich aber meine persönliche Meinung im Fall Walkhoff äußern: Bei der Beurteilung von Personen werden oft zwei Aspekte vermengt, die wir Geschichtswissenschaftler eigentlich bewusst sehr getrennt halten: die Fach- lichkeit und die Honorabilität (= Vor- bildcharakter) einer Person. Wenn wir über die fachlichen Leistun- gen Walkhoffs reden, sind wir uns ge- wiss schnell einig: Walkhoff war einer der führenden Zahnmediziner seiner Zeit. Ich kann seine Leistungen nur bewundern! Ich habe jüngst in der „Neuen Deutschen Biografie“ einen Beitrag über Walkhoff geschrieben, der dies auch betont. Die DGZ hatte aber zu entscheiden, ob sich die Person Walkhoff als Namens- geber für eine Auszeichnung eignet: Hier geht es um die Honorabilität, also um das Wirken der Gesamt- persönlichkeit und insbesondere um die Frage, ob dieser Vorbildcharakter zukommt. Der Preisträger wird in eine Reihe mit einer bestimmten Persön- lichkeit – dem Namensgeber – gestellt und sollte diesen Vorgang möglichst als persönliche Auszeichnung und womöglich auch als persönliche Auf- wertung wahrnehmen. Das ist ja der tiefere Sinn dieser Ehrungen. In diesem zweiten Punkt – dem Vor- bildaspekt – liegt nun das Problem: Walkhoff ist zwar bereits 1934 ver- storben, doch er hat sich schon 1929 in einem demokratischen Umfeld – in der Weimarer Republik – der NSDAP angeschlossen. Dies war zu diesem frühen Zeitpunkt ein klares politisches Statement. Die NSDAP war in der Weimarer Republik zeitweise sogar verboten und als rechtsradikale und antisemitische Partei ohnehin höchst umstritten. Walkhoff ist damit der Gruppe der „Alten Kämpfer“ zuzurechnen: Dies war eine im Oktober 1933 eingeführte Bezeichnung für Mitglieder der NSDAP aus der „Kampfzeit“ vor der Macht- ergreifung im Januar 1933, die eine Mitgliedsnummer unter 300.000 führ- ten. Die „Alten Kämpfer“ verstanden sich als (elitäre) nationalsozialistische Kerngruppe. Walkhoff hatte sogar eine Mitgliedsnummer unter 200.000 (Nr. 172.024). ER WAR EIN ÜBERZEUGTER NATIONALSOZIALIST Zusammengefasst: Walkhoff ist den überzeugten Nationalsozialisten der ersten Stunde zuzurechnen – im Unterschied zu den vielen politischen Opportunisten, die nach Hitlers Machtergreifung der Partei beitraten, weil sie sich hiervon persönliche beziehungsweise berufliche Vorteile versprachen. Ich vermute, dass dies für die DGZ der entscheidende Punkt war … Es gab übrigens unter den über 300 von mir untersuchten zahnärztlichen Hochschullehrern dieser Zeit kaum je- manden, der sich so früh der NSDAP anschloss – von den bekannteren war es tatsächlich nur Walkhoff. \ Foto: privat Prof. Dr. Dr. Dr. Dominik Groß, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der RWTH Aachen und Leiter des Aufarbeitungsprojekts zur Rolle der Zahn- ärzteschaft im „Dritten Reich“ 32 | GESELLSCHAFT
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=