Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

einmal grundsätzlich verstanden hat, was Inklusion wirklich bedeutet, merkt schnell, wie auch das eigene Leben be- reichert wird. Denn man lernt die bis- herigen „Selbstverständlichkeiten“ zu hinterfragen und die Welt mit anderen Augen zu sehen. Bei konkreten Fragen kann auch die Bundesfachstelle Barriere- freiheit helfen. Wie kann eine Praxis barriereärmer werden? Für mich geht es nicht um „barriere- arm“. Es geht um barrierefrei! Es geht darum, das Recht auf freie Arztwahl für alle zu sichern – denn dieses Recht gibt es derzeit faktisch für viele Menschen mit Behinderungen nicht. Mit einer Rampe allein ist es da nicht getan. Für Menschen mit Rollstühlen betrifft das zum Beispiel auch eine erreichbare Klingel, einen Fahrstuhl oder die Tür- breite. Für Menschen mit Sehbeein- trächtigungen sind es gute Kontraste, große Schriften und tastbare Mar- kierungen in der Praxis. Von diesen Maßnahmen profitieren auch ältere Menschen. Ein wesentlicher Punkt sind auch die Homepages im Internet, die sehr selten barrierefrei sind, zum Beispiel für blinde Menschen oder Menschen mit Sehbeeinträchtigungen. Menschen mit Lernbeeinträchtigun- gen wiederum brauchen in erster Linie Informationen in leichter Sprache und eine für sie verständliche Ansprache, während Menschen mit Hörbeein- trächtigungen schriftliche Informatio- nen oder Induktionsschleifenanlagen benötigen. Für letztere ist es auch wichtig, Terminvereinbarungen online zu treffen. Barrierefreiheit heißt aber auch: Bereit- schaft und Offenheit für Patientinnen und Patienten mit Behinderungen. Ich meine ganz konkret die Empathie für sie und ihre Belange in Form von Zeit, Wissen und Geduld. Der erste Berührungspunkt ist dann der Praxis- empfang. Hier sollten Mitarbeitende vertreten sein, die auf die besondere Patientengruppe vorbereitet sind. Barrierefreiheit hat eine tiefe soziale Dimension. Auf das Verständnis kommt es an! Was sind die größten Hindernisse in einer Zahnarztpraxis für Menschen mit Behinderung? Ich schätze, das sind die Vorbehalte und Berührungsängste. Der Umgang mit Menschen mit Behinderung sollte daher etwas Alltäglicheres werden. Durch Fortbildung, Lehre und auch Kooperationen kann das gelingen. Gemeinsame Erfahrungen und geteilte Erlebnisse unterstützen das. Ein sehr erfolgreiches Beispiel dafür sind die Special Olympics als Sportbewegung auf nationaler und internationaler Ebene. Die Zurückhaltung kann das Problem, dass diese Patienten nicht wie „normale“ Patienten in den Praxen empfangen werden, noch ver- stärken. Barrierefreiheit beginnt im Kopf und führt dann natürlich über entspre- chende Anpassungen in der Praxis zum Erfolg. Aufgabe der Politik ist es, für mehr Klarheit hinsichtlich der ver- gütungsrechtlichen Grundlagen zu sor- gen. Die Fragen stellte Laura Langer. SO WIRD DIE PRAXIS BARRIEREFREI! digital und analog: \ barrierefreie Homepage – nutzerfreundlich für alle Patienten \ Online-Terminvergabe \ Info-Flyer/Grafiken in großer Schrift, einfacher Sprache, Blindenschrift \ Induktionsschleifenanlagen Räumlichkeiten: \ erreichbare Klingel \ Rampe \ Fahrstuhl \ breite Türen \ Lichtkontraste/Lichtsignale \ tastbare Markierung in der Praxis zm 110, Nr. 18, 16.9.2020, (1717) Agil, schnittfreudig und hungrig. Proc odile. ©03/2020 · 10005748v.001 | 43

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