Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 110, Nr. 18, 16.9.2020, (1721) defizienz und dem Wunsch nach implantatgetragenem Zahnersatz zu beobachten. Vor dem Hintergrund sich stetig verbessernder immunsup- pressiver Langzeittherapien ist auch künftig mit einer deutlichen Zunahme dieses Patientenkollektivs zu rechnen [Ali et al., 2019; Jacobson et al., 1993; Lerner et al., 2016]. Bei der Entscheidungsfindung, ob den- tale Implantate bei immundefizienten Patienten indiziert sind, muss berück- sichtigt werden, dass es sich dabei um ein sehr heterogenes Patientenkollek- tiv mit unterschiedlich ausgeprägten Einschränkungen des Immunsystems handelt. Für die Praxis bedeutet dies einen hohen Unsicherheitsfaktor hin- sichtlich der Indikationsstellung und des damit verbundenen Behandlungs- ablaufs – der Vorbereitung, Durchfüh- rung und Nachsorge des Eingriffs. Zur besseren Übersicht lassen sich drei Gruppen zur Einteilung der Immun- defizienz bilden: 1. Primäre, angeborene Immun- defizienz – hierzu liegt leider nicht ausreichend Literatur vor, die eine Bewertung des Einflusses der Grunderkrankung auf das Überleben dentaler Implantate zulässt. 2. Sekundäre, erworbene Immun- defizienz, zum Beispiel eine HIV- Infektion (Die Grunderkrankung Diabetes mellitus hat ebenfalls immunmodulatorische Einflüsse, wird in dieser Arbeit jedoch nicht mit aufgeführt. Hierzu sei an dieser Stelle auf die Leitlinie Zahn- implantate bei Diabetes mellitus – AWMF-Registernummer 083-025 – verwiesen.) 3. Sekundäre, medikamenten- induzierte Immunsuppression, zum Beispiel durch Steroide (Cortison) AUTOIMMUNERKRANKUNGEN Untersuchungen innerhalb der letzten zehn Jahre verdichten die Hinweise für eine stetige Zunahme der Häufigkeit von Autoimmunkrankheiten [Lerner et al., 2016]. Heute wird in Europa und Nordamerika eine Prävalenz von bis zu 12,5 Prozent angenommen [Jacobson et al., 1993; Lerner et al., 2016]. Folg- lich ist von einer wachsenden Anzahl an Patienten mit Autoimmunkrank- heiten und dem Wunsch nach Zahn- implantaten zu rechnen. Die Ursache für den Abbau der immunologischen Toleranz gegenüber körpereigenen Molekülen, die sukzessive zu einer Immunantwort und später unter- schiedlichen Formen von Autoimmun- erkrankungen führt, ist nicht voll- ständig bekannt [Smith et al., 1999]. Sozioökonomische, genetische und umweltbedingte Faktoren sowie be- stimmte Arten von Infektionen werden als Autoimmunreaktion-auslösende Faktoren diskutiert. Autoimmunkrankheiten treten ge- häuft bei Frauen auf. Diese stellen mit 75 Prozent die dominierende Gruppe innerhalb des Patientenkollektivs der an Autoimmunerkrankungen lei- denden Patienten [Jacobson et al., 1993]. In einer systematischen Über- sichtsarbeit wurde der Einfluss von Autoimmunerkrankungen und deren Therapie auf die Überlebensraten dentaler Implantate untersucht. Im Er- gebnis zeigte sich ein deutlicher Trend zu weiblichen Patienten, die 98 Pro- zent des Patientenkollektivs umfassten. Auffällig war eine häufig vorkommende Koexistenz verschiedener Autoimmun- krankheiten wie beispielsweise die Kombination von rheumatoider Ar- thritis und Sjögren-Syndrom oder Der- matomyositis sowie die Kombination von oralen Lichen planus und Sjögren- Syndrom. Bezogen auf die Behandlungsmodalitä- ten von Autoimmunerkrankungen (Rheumatoide Arthritis, Polymyalgia rheumatica, Pemphigus vulgaris, Sklerodermie, Sjögren-Syndrom und Systemischer Lupus Erythematodes) wurde vorwiegend eine Form von Steroidmedikation wie Prednison- oder andere Glucocorticoidderivate zur Therapie eingesetzt. Es wurde weder eine Auswirkung des Medikaments noch der zugrunde liegenden Auto- immunerkrankung auf das Implantat- überleben festgestellt [Duttenhoefer, 2019]. Prinzipiell sollte aufgrund des mög- lichen Risikos einer malignen Transfor- mation der oralen Manifestation der zugrunde liegenden Erkrankungen auf eine stringente Implantatnachsorge ge- achtet werden. So gibt es Hinweise, dass die sehr seltenen periimplantären DR. MED. DR. MED. DENT. FABIAN DUTTENHOEFER Praxis MKG am Ziegelturm Am Ziegelturm 11, 63571 Gelnhausen fd@mkg-gelnhausen.de und Universitätsklinikum Freiburg, Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg Foto: Conny Ehm Photography DR. MED. DR. MED. DENT. MARC ANTON FÜSSINGER Universitätsklinikum Freiburg, Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg Foto: Medienzentrum Uniklinik Freiburg YASMIN BECKMANN Zahnarztpraxis Dr. Beckmann Badstr. 2, 77871 Renchen und Universitätsklinikum Freiburg, Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg Foto: privat | 47

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