Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 110, Nr. 18, 16.9.2020, (1722) Karzinome auffällig häufig bei Patienten mit Oralen Lichen planus auftreten [Moergel et al., 2014]. SONDERFALL MORBUS CROHN Die chronisch entzündliche Darm- erkrankung Morbus Crohn betrifft hauptsächlich den Magen-Darm-Trakt und hat auch direkten Einfluss auf die orale Mukosa. Die autoimmunen Entzündungsreaktionen werden durch Antigen-Antikörper-Komplexe ausge- löst, weshalb immunsuppressive und entzündungshemmende Medikamente zum Behandlungsspektrum gehören. Hinsichtlich der Therapie von Morbus- Crohn-Patienten mit dentalen Implan- taten konnte in Studien über Früh- versagen eine Korrelation zwischen Implantatverlust und Morbus Crohn beobachtet werden [Alsaadi et al., 2007a; Alsaadi et al., 2007b; van Steenberghe et al., 2002]. Diese Ergebnisse wurden in weiteren Studien aus 2007 und 2008 statistisch belegt. Die Ursachen für die kumulative Inzidenz des frühen Implantatverlusts bei Morbus-Crohn- Patienten werden wissenschaftlich kontrovers diskutiert. Bisher konnte ge- zeigt werden, dass Antigen-Antikörper- Komplexe die Osseointegration dentaler Implantate durch Autoimmunreak- tionen im Bereich des Knochen-Im- plantat-Kontakts beeinflussen können [Quirynen et al., 2002]. Auch eine im Verlauf des Morbus Crohn häufig auf- tretende Mangelernährung führt mög- licherweise zu einer mangelhaften Knochenheilung rund um dentale Implantate [Esposito et al., 1998]. HIV In den letzten 30 Jahren entwickelte sich die HIV-Infektion und nachfol- gend das Acquired Immune Deficiency Syndrome (AIDS) von einer Epidemie mit verheerender Schwächung der Patienten unter der heutigen Therapie zu einer stabilen, chronischen Krank- heit. Dem folgend steigt die Anzahl von Patienten in verschiedenen Krank- heitsstadien, die eine implantatbasierte dentale Rehabilitation wünschen. Im Vergleich zu gesunden Patienten zeigten sowohl HIV-seropositive Patienten mit einer CD4-Zellzahl > 200 Zellen/µl als auch Patienten in einem stark immungeschwächten Zu- stand mit einer CD4-Zahl von weniger als 200 Zellen/µl keine signifikanten Unterschiede nach Implantatinsertion hinsichtlich Heilungsreaktion, Infek- tionsrate oder postoperativen Kompli- kationen. Weiterhin konnten keine höheren Implantatverlustraten be- obachtet werden [Campo et al., 2007; Kolhatkar et al., 2012; Lin et al., 2014]. Folglich gab es keine Hinweise auf eine direkte Beziehung zwischen dem Risiko postoperativer Infektionen nach Implantatversorgungen und der CD4-Zahl [Gherlone et al., 2015; May et al., 2016; Stevenson et al., 2007]. In 75 Prozent der analysierten Studien fanden unterschiedliche Formen der Antibiotikatherapie bei der Implantat- chirurgie Anwendung. Die prophylak- tische Antibiotikagabe hatte keinen Einfluss auf das Risiko postoperativer Infektionen, reduzierte aber nach- weislich das Risiko eines Implantat- versagens [Ata-Ali et al., 2014; Keenan et al., 2015]. Zusammenfassend wurde in einer systematischen Übersicht bei HIV-positiven Patienten die Antibiotika- therapie als einer der Haupteinfluss- faktoren bei der Analyse der Osseo- integration von Zahnimplantaten angegeben [Ata-Ali et al., 2015]. CHEMOTHERAPIE In der modernen Krebsbehandlung ist die Chemotherapie nach wie vor eine der tragenden Säulen. Bis heute steigt die Zahl der zugelassenen antineoplas- tischen Arzneimittel, insbesondere durch die Diversifikation der Medika- mente, die immer spezifischer auf bestimmte Krebsarten abzielen. Es ist somit nicht möglich, alle Mechanis- men der biologischen Wirkung von Chemotherapien hinsichtlich ihres Einflusses auf dentale Implantate zu untersuchen. Dementsprechend ist die potenzielle Auswirkung von Chemo- therapeutika auf die Osseointegration, einem der wichtigsten Parameter der erfolgreichen Implantattherapie, nur in wenigen Studien untersucht. Bei bereits vorbestehenden Implantaten gibt es Hinweise darauf, dass Chemo- CHECKLISTE ZUR RISIKOSTRATIFIZIERUNG (NIEDRIGES RISIKOPROFIL): i Grunderkrankung chronisch oder inaktive Phase i stabil eingestellte immunsuppressive Medikation i adäquate Mundhygiene i Fokussanierung vor Implantation i klinisch und radiologisch regelrechte Hart- und Weichgewebsheilung i keine Augmentation vor Implantation notwendig i perioperative systemische Antibiotika-Prophylaxe i konventionelle Belastung (> 2 Monate Einheilungszeit) i prothetische Konzepte mit günstiger Hygienefähigkeit i individuell-risikoadaptierte und strukturierte Nachsorge PROF. DR. MED. MARTIN BOEKER Institut für Medizinische Biometrie und Statistik (IMBI), Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Stefan-Meier-Str. 26, 79104 Freiburg Foto: Harriet Sommer PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. RAINER SCHMELZEISEN Universitätsklinikum Freiburg, Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg Foto: Medienzentrum Uniklinik Freiburg 48 | ZAHNMEDIZIN

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