Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 110, Nr. 18, 16.9.2020, (1730) DER BESONDERE FALL MIT CME Zufallsbefund Lungentuberkulose Diana Heimes, Peer W. Kämmerer In der zahnärztlichen Praxis werden auch allgemeinmedizinische Themen häufig relevant. Neben potenziellen medikamentösen Nebenwirkungen und Interaktionen ebenso wie Grunderkrankungen des Patienten kommt der Diagnose bis dato unerkannter Krankheiten eine Bedeutung zu. Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich – wie bei diesem Fallbericht einer zufällig entdeckten Lungentuberkulose. E in 26-jähriger, osteuropäischer Patient stellte sich mit einer peri- mandibulären Schwellung des rechten Unterkiefers in der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Ge- sichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz vor. Drei Tage zuvor war die Extraktion der Zähne 46 und 47 durch den Hauszahnarzt erfolgt. Klinisch prä- sentierte sich der Patient mit starken Schmerzen, einer eingeschränkten Mundöffnung, kloßiger Sprache und Schluckbeschwerden. Der enorale Be- fund zeigte einen massiven Pusabgang aus den Extraktionsalveolen 46 und 47. Extraoral war der Unterkieferrand nicht mehr durchtastbar, so dass in der Zusammenschau der Befunde von einem perimandibulären Abszess aus- zugehen war (Abbildung 1). Aufgrund der bestehenden Sprech- und Schluckbeschwerden wurde die Indikation zur sofortigen operativen Eröffnung des Abszesses in Intubations- narkose gestellt. Der Schnitt erfolgte zur Schonung der Ramus marginalis des Nervus facialis zwei Querfinger unter- halb des Unterkieferrands in einer Hautfalte. Das Platysma wurde darge- stellt und stumpf auseinandergedrängt. Es folgte das Vorgehen bis zur Unter- kieferbasis und die Eröffnung der sub- mentalen, pterygomandibulären und massetericomandibulären Logen mit Einlage jeweils eines Röhrchens. Enoral wurde zur Sicherstellung des Pusabflusses eine Lasche eingelegt und angenäht. Die postoperative Bildgebung (Halb- seiten-OPTG) zeigt die Extraktions- alveolen 46 und 47 ohne Anhalt auf Wurzel- oder Materialreste ebenso wie die eingelegten Drainageröhrchen (Abbildung 2). Während des post- operativen Heilungsverlaufs war die Schwellung nur langsam regredient und der Abgang putriden Sekrets über die extraorale Wunde weiterhin stark, so dass eine Computertomografie (CT) des Halses zum Ausschluss eines Wurzelrests, einer Fraktur oder einer Ausbreitung durchgeführt wurde. In dieser fielen nebenbefundlich circa 10 mm messende Verdichtungen in beiden Lungenoberlappen im Sinne punktuell verkalkter Kavernen auf (Ab- bildung 3). Bei Verdacht auf eine Lungentuberku- lose wurden ein Interferon-Gamma- Foto: Peer W. Kämmerer Abb. 1: Klinischer Befund perimandibulärer Abszess auf der rechten Seite: Erkennbar ist eine deutliche Schwellung unter fehlender Abgrenzbarkeit des Unterkiefers. Dieser ist durch die derbe Schwellung nicht mehr durchtastbar. 56 | ZAHNMEDIZIN

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