Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 110, Nr. 18, 16.9.2020, (1742) In begründeten Einzelfällen hilfreiche Untersuchungen: \ Abstrich für mikrobiologische Diagnostik \ Virologische Diagnostik \ Überprüfung einer Reaktion auf dentale Werkstoffe Untersuchungen, deren Stellenwert nicht durch belastbare Studiendaten gesichert ist: \ Intravitalfärbung mit Toluidinblau (a) \ optische Hilfsmittel - Chemi-Lumineszenz- und Autofluoreszenzdiagnostik (b) - Narrow band imaging (c) Erläuterungen sind den folgenden Hintergrundtexten a-c zu entnehmen. a) Intravitalfärbung mit Toluidinblau Methoden der intravitalen Anfärbung der Mundschleimhaut zur spezifischen Hervorhebung maligner Läsionen auf der Basis von Toluidin-Blau werden seit mehr als 40 Jahren beschrieben. Als Grundprinzip wird die vermehrte Bindung des DNA-affinen Farbstoffs in Geweben mit erhöhtem Zellumsatz postuliert [Patton et al., 2008]. Auf mo- lekularer Ebene wurde eine Assoziation zwischen chromosomalen Verände- rungen (zum Beispiel 3p/9p LOH) und dem Färbeverhalten der Schleimhaut- veränderungen gezeigt [Zhang et al., 2005]. Die Treffsicherheit in klinischen Unter- suchungen ist sehr variabel, für die Sen- sitivität finden sich Angaben von 38 bis 98 Prozent und für die Spezifität ein Bereich von 9 bis 93 Prozent [Cancela- Rodriguez et al., 2011; Patton et al., 2008; Rahman et al., 2012]. Trotz der langjährigen Verfügbarkeit und einer insgesamt recht großen Zahl von Lite- ratur-Mitteilungen befassen sich nur wenige Studien mit der Anwendung von Toluidin-Blau zur Detektion von Schleimhautläsionen, die nicht bereits im Vorfeld klinisch erkannt worden waren [Lingen et al., 2008]. Daneben weisen mehrere Autoren kritisch auf die geringe Treffsicherheit für poten- ziell maligne orale Läsionen mit einer Sensitivität von bis unter 50 Prozent hin [Fedele, 2009; Martin et al., 1998; Onofre et al., 2001]. Insgesamt hat der recht große Aufwand in der klinischen Umsetzung der Fär- bung eine Verbreitung der Methoden und den Einsatz in der zahnärztlichen Praxis bisher verhindert und es finden sich in der Literatur auch keine Daten über die Anwendung in der Primär- versorgung. Nach mehr als fünf Jahr- zehnten ist daher eine maßgebliche Entwicklung und Verbreitung der Methode nicht mehr zu erwarten. b) Chemi-Lumineszenz- und Autofluoreszenzdiagnostik In den letzten Jahren sind die Verfahren zur Chemi-Lumineszenz und zur Auto- fluoreszenzdiagnostik als unterstützende optische Hilfsmittel bei der Detektion potenziell maligner oraler Läsionen und der oralen Karzinome in verschie- denen Studien untersucht worden. Beim Verfahren der Chemi-Lumines- zenz-Lichtquelle wird die Mund- schleimhaut mit 1 Prozent Essigsäure vorbehandelt. Mögliche Veränderun- gen in der Keratinisierung sollen sich weiß darstellen und durch die an- schließende Behandlung mit Toluidin- blau hervorstechen (exponieren). Bei der Autofluoreszenzdiagnostik sollen sich unter Benutzung von blauem Licht dysplastische beziehungsweise neo- plastische Läsionen aufgrund des Ver- lusts der Fluoreszenz dunkel gegenüber der gesunden (grünen) Mundschleim- haut darstellen. Koch et al. konnten bei der Untersuchung unter Anwendung von Autofluoreszenzdiagnostik bei einem Patientenkollektiv (n= 78) mit auffällig klinischen Schleimhautläsio- nen zwar eine hohe Sensitivität von 93 Prozent zeigen, allerdings lag die Spe- zifität bei nur 13 bis 17 Prozent [Koch et al., 2011]. In der Studie von Mehrotra et al. kamen beide optischen Methoden zur Anwendung und zeigten deutlich schlechtere Ergebnisse [Mehrotra et al., 2010]. Das Verfahren mit Autofluores- zenzdiagnostik wies bei 156 untersuch- ten Läsionen eine Sensitivität von 50 Prozent und eine Spezifität von 38,9 Prozent auf. Bei der Anwendung mit Chemi-Lumineszenz lag bei den 102 untersuchten Läsionen die Sensitivität bei 0 und die Spezifität bei 75,5 Pro- zent. Weitere Studien, die diese Verfah- ren untersucht haben, weisen ähnliche kritische, unzufrieden stellende Ergeb- nisse auf [Awan et al, 2011; Balevi et al., 2011; Farah et al., 2012; Scheer et al., 2011; Shin et al., 2010]. Die inho- mogene und unzureichende Datenlage zeigt für beide optischen Verfahren nach wie vor keine ausreichende wis- senschaftliche Grundlage zur Anwen- dung im Bereich der Früherkennung von potenziell malignen oralen Läsio- nen und Mundhöhlenkarzinomen. c) Narrow band imaging Als weitere optische Methode zur Früh- erkennung von Mundhöhlenkarzino- men und potenziell malignen oralen Läsionen wurde in den letzten Jahren das Narrow band imaging aus anderen Bereichen der Oberflächendiagnostik in der Mundhöhle in Studien evaluiert. Die Methode verwendet anstelle des kontinuierlichen Frequenzspektrums des weißen Lichts zwei schmalbandige Frequenzbereiche (400–430 nm und 525–555 nm), um Unterschiede im Gefäßplexus darzustellen. Yang et al. [2012 und 2013] zeigten anhand eines Patientenkollektivs n = 317 für das Schmalband-Licht eine Sensitivität von 96,3 Prozent und eine Spezifität von 60,1 Prozent, gegenüber Weißlicht mit 87 Prozent Sensitivität und 93,5 Pro- zent Spezifität. Allerdings ist die Über- tragbarkeit der Ergebnisse und eine infrage kommende Empfehlung nur bedingt möglich, da es sich bei den Studien aus dem asiatischen Raum in der Mehrzahl um bukkale Läsionen handelte, bedingt durch den Genuss von Betel-Produkten und somit diverse Lokalisationen für Läsionen unter- repräsentiert waren [Yang et al., 2012; Yang et al., 2013]. Ein systematischer Review von 2014 [Vu und Farah, 2014] kam zu der Schlussfolgerung, dass diese Methode durchaus diagnos- tisches Potenzial besitzt, allerdings eine Aussage für eine Empfehlung im Bereich der Früherkennung aufgrund der unzureichenden und nicht aus- reichend belastbaren Datenlage nicht möglich ist. ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. 68 | ZAHNMEDIZIN

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