Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 110, Nr. 18, 16.9.2020, (1754) schmerzlose, weiche, glatte bis raue Schwellungen und können Größen von wenigen Millimetern bis mehreren Zentimetern erreichen. Ihre Farbe kann von rosa bis blau-livide variieren und bei Kompression verblassen [Kamala et al., 2014; Kripal et al., 2013]. Häm- angiome erscheinen bereits wenige Wochen nach der Geburt (Phase der endothelialen Zellproliferation), neh- men bis zum achten Monat schnell an Größe zu (Phase des schnellen Wachs- tums) und wachsen anschließend langsam mit. Ab dem fünften Lebens- jahr beginnen sie sich in 70 Prozent der Fälle spontan zurückzubilden (Phase der spontanen Rückbildung) [Kamala et al., 2014; V et al., 2014]. Im sichtbaren Hautbereich werden sie auch als Portweinflecke oder Erdbeer- male bezeichnet [Kripal et al., 2013]. Aufgrund ihrer erhöhten spontanen Perforationsgefahr bereits bei kleinsten Traumen sowie ihrer möglichen Dys- phagie bis hin zu Atemproblemen durch Obstipation bedürfen orale Hämatome einer besonderen Berücksichtigung. Doch ist das Hauptanliegen einer In- tervention nicht selten kosmetischer Natur [Kripal et al., 2013]. Zur direkten Bestimmung des Aus- maßes lassen sich Hämangiome bei leichter Zugänglichkeit gut sonogra- fisch darstellen. Zur weiterführenden Diagnostik oder wie im beschriebenen Fall aufgrund des schwierigen Zugangs sowie bei ausgeprägtem Würgereiz kann die Computer- und Magnetreso- nanztomografie angewendet werden [Kamala et al., 2014; V et al., 2014]. Histologisch sind Hämangiome kapsel- los und zeichnen sich durch zumeist venöse oder kapilläre hyperplastische Blutgefäße sowie – phasenabhängig – durch ihre erhöhte endotheliale Mitose- rate aus. Dabei wird eine kapilläre von einer kavernösen Form unterschieden, wobei das kapilläre Hämangiom aus vielen kapillären Bündeln besteht, deren Endothelzellen ohne bindegewebige Zwischenschicht direkt aneinander lie- gen. Das kavernöse Hämangiom zeich- net sich hingegen durch große, dünn- wandige Gefäße oder Sinusoide aus, die durch eine dünne bindegewebige Zwischenschicht voneinander getrennt sind [Kamala et al., 2014]. Die Therapie hängt von der Größe, der Lokalisation, den hämodynamischen Verhältnissen, der gegenwärtigen Phase sowie dem Patientenalter ab [V et al., 2014]. Als mögliche Therapien werden die chirurgische Exzision, Strahlen-, Kryo- und Lasertherapie, die Injektion von sklerosierenden Substanzen sowie die selektive vaskuläre Embolisation genannt [Kamala et al., 2014]. Auf- grund der vorliegenden schwierigen Zugänglichkeit mit akut bestehender Blutungsgefahr wurde unsererseits die zeitnahe Exzision empfohlen. \ Fotos: MKG St. Josefshospital Krefeld-Uerdingen Abb. 5: Das Exzidat Abb. 6: Histomorphologischer Aspekt des kavernösen Hämangioms mit kavernös- ektatischen, dünnwandigen, sinusoidalen Gefäßen (mit * markiert; H.E.-Färbung). Foto: MKG St. Josefshospital Krefeld-Uerdingen Foto: Institut für Pathologie, Evangelisches Krankenhaus BETHESDA zu Duisburg Abb. 4: Die intraorale Situation nach der Exzision (A) sowie nach der primären, lokal plastischen Deckung (B) PD DR. MED. DR. MED. DENT. THOMAS MÜCKE Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische und ästhetische Operationen Malteser Krankenhaus St. Josefshospital Kurfürstenstr. 69, 47829 Krefeld-Uerdingen Thomas.Muecke@malteser.org Foto: privat FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Nach der ISSVA gehören Hämangiome zu den vaskulären Tumoren. Es sind die häufigsten gutartigen Tumoren der Kindheit mit einer höheren Prävalenz für das weibliche Geschlecht. \ Hämangiome sind vorwiegend im Kopf- und Halsbereich (bis zu 70 Prozent) lo- kalisiert, wobei das Gesicht, die Zunge, die orale Schleimhaut und die Lippen am häufigsten betroffen sind. \ Hämangiome sind zumeist schmerzlos, weich, mit einer glatten bis rauen Ober- fläche und können wenige Millimeter bis mehrere Zentimeter groß werden. Ihre Proliferation geht vom Endothel aus. \ Hämangiome zeigen drei aufeinander- folgende unterschiedliche Wachstums- phasen und können mit der Zeit regredieren. Ihre Ausdehnung lässt sich sono-, computertomo- und magnet- resonanztomografisch ermitteln. \ Histologisch wird eine kapilläre von einer kavernösen Form unterschieden. \ Abhängig von diversen Faktoren kann das Hämangiom über unterschiedliche Ansätze therapiert werden. A B 80 | ZAHNMEDIZIN

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